Design ist Wurst

■ Der Wissenschaftler, Künstler und Koch Kubelka übers Essen & Trinken

Was ist Design? Da stellen wir uns erst mal ganz dumm. Lateinisch designare: herunterzeichnen, abzeichnen. Aber auch: vorhersehen, planen, formen. Der Herr Kubelka, vom Akzent her eindeutig Wiener, redet auf sein Publikum ein. Der Lichthof im Überseemuseum ist gut gefüllt, alle waren gekommen, um Peter Kubelka zuzuhören. Er sprach im Rahmen der Innoventa beim Symposium „Ursprung und Zukunft des Design am Beispiel Essen und Trinken“.

„Kochen ist die älteste schöpferische Tätigkeit des Menschen“, sagt Kubelka. Er sollte es wissen, denn in Frankfurt hat er einen Lehrstuhl für Kochen und Film inne. Professor Kubelka ist nämlich nicht nur Wissenschaftler, er ist auch Künstler. Kochen ist Kunst, da läßt er keinen Zweifel, nur die Anerkennung der Köche fehle halt, da müsse einiges getan werden. Wort- und Tatmensch Kubelka hält eine Wurst hoch. „Das ist Design“, ruft er aus, „sehen Sie, ein Abbild des Tieres. Wir Menschen haben es verbessert und Wurst daraus gemacht. Der egoistische Wunsch, die Welt im Sinne des Menschen zu verbessern, hat uns die Wurst nur mit guten Sachen füllen lassen. Keine Haare, Hufe, Zähne mehr drin.“

Der Mann will uns in den 75 Minuten etwas klarmachen, soviel ist sicher. Von Jägern und Sammlern der Urzeit redet er, die während der Nahrungsbeschaffung ihren Machtbereich ausdehnten. Das habe er auch gemacht, erst kurz vor der Veranstaltung. Etwas moderner als damals, aber sehr vergleichbar. Dann hält er eine Plastik-Tragetasche von Karstadt hoch und entleert sie. Wir lernen: „Das Leben ist ein fortwährender Kampf mit der Gravitation.“ Der Beweis mit dem Beefsteak Tartar, das er zu Boden fallen läßt, ist eindrucksvoll. „Alter ist das Anhäufen von Schicksal.“ Zur Erklärung fehle ihm, Kubelka, die Zeit. Bei „Essen ist Transplantation, denn wir essen lebendiges Fleisch“, wird er wieder konkreter, geradezu aktivistisch. Mit einem Steinmesser, einer Leihgabe des Museums, zerteilt er sein Tartar, spricht von Frische. „Es lebt.“ Das aufgeschlagene Ei ist der Prozeß der Herstellung und des Entwurfs. Alles Design. Das Zermahlen eines Pfefferkorns mittels eines Faustkeils gerät zur eindrucksvollen Demonstration der schöpferischen Kraft des Menschen.

Dann kommt das „Großartige.“ „Ich esse. Was habe ich erlebt? In einem Augenblick habe ich meinen gesamten Macht- und Kenntnisbereich zugleich geschmeckt. Ich kann die Welt vergleichen, ich feiere meine Existenz.“ Später, weit nach Mitternacht, steht Kubelka vor einem Wurststand am Bahnhof und feiert weiter. Der Wiener probiert das gesamte Warenangebot. Ein Künstler eben, ein Designer qua Menschsein. Jürgen Francke