Aktionismus ohne Konzept

■ Die Finanzpolitiker der BRD drehen durch angesichts des Finanzierungsdesasters

Aktionismus ohne Konzept Die Finanzpolitiker der BRD drehen durch angesichts des Finanzierungsdesasters

Die Republik ist zum wirtschaftspolitischen Tollhaus verkommen. Da schwadronieren CDU- und CSU-Oberhäupter wahlweise von Zwangs- und Deutschlandanleihen zur Finanzierung der deutschen Einheit, verteufelt Marktgraf Lambsdorff solche Instrumente als marktwirtschaftliche Ursünden, entlarvt die allenthalben als SPD-Finanzexpertin titulierte Ingrid Matthäus- Maier die Regierung zum wiederholten Male als Steuerlügner, während ihr Parteifreund und wirtschaftspolitischer Generalist Wolfgang Roth an den Vorschlägen von CDU und CSU durchaus Gefallen finden kann. Die DGB-Frau Ursula Engelen- Kefer wiederum fordert alternativ eine steuerliche Ergänzungsabgabe für Herr und Frau „Besserverdienende“ und die Arbeitgeberverbände deuten Einsicht an. Freilich sei an eine angemessene Lastenbeteiligung erst zu denken, wenn die langersehnte Entlastung bei den Unternehmenssteuern endlich unter Dach und Fach ist. Nach aller rhetorischen Symbolik einigen sich die Regierenden dann auf eine Investitionsanleihe für eben diese Besserverdienenden, die im Rahmen eines Solidarpaktes von Gewerkschaften, Arbeitgebern und Regierung das Licht der Welt erblicken soll.

Das wirtschaftpolitische Reden in vielen Zungen verweist nicht allein auf die immer offener zutage tretende Inkompetenz von Bundeskanzler Helmut Kohl, dem die Handlungs- wie Richtlinienkompetenz abhanden gekommen ist. Das von der gesamten politischen Klasse veranstaltete spätsommerliche Bonner Polittheater macht vor allem deutlich, daß es den Akteuren überhaupt an einem politischen Konzept zur Bewältigung der Einheitsaufgabe mangelt. Die Vorschläge eines Solidarpaktes und einer Investitionsanleihe machen die Farce perfekt. Da sollen Kosten und Verantwortung eines gescheiterten Politikprojektes auf mehr Schultern verteilt werden, die soziologisch unscharfe Gruppe von „Besserverdienenden“ — die als Zeichner von Staatsschuldtiteln dank des zinstreibenden Schuldenkurses der Regierung in den letzten beiden Jahren gewaltige Einnahmenzuwächse vermelden durfte — symbolisch an den Einheitskosten beteiligt werden und generell eine kritiktötende Solidarpaktsauce aufgegossen werden.

Es gehört viel politische Frechheit dazu, darauf zu spekulieren, daß das Wahlvolk in Ost wie West bereit ist, für das aus schierem marktideologischem Dünkel angerichtete Scherbengericht zu bezahlen, und ansonsten zu schweigen. Wer in einer utilitaristisch bestimmten Wirtschaftsgesellschaft wie der Bundesrepublik seinen Bürgern tiefer in die Taschen greifen will, muß schon sagen, wofür sie zahlen und schweigen sollen. Kurt Hübner