Warum die taz wieder Verluste macht

■ Fehlende Anzeigenerlöse und rückläufige Auflage/ Zwei Häuser als stille Reserve

Die taz schon wieder in Geldnöten? War da nicht eine Genossenschaft, die über vier Millionen Mark hineingesteckt hat? Die Frage wird uns zu Recht gestellt. Unsere Antwort ist einfach: Das massive Engagement unserer GenossInnen — das im übrigen in der Zeitungsbranche auf fast ungläubiges Erstaunen gestoßen ist — hat uns wichtige Investitionen ermöglicht, ohne die die taz heute deutlich schlechter dastünde: unsere Abokampagne im Frühjahr („Jeden Tag eine gute taz“) genauso wie die Einrichtung von Trägerdiensten in einer Reihe von Städten. Nicht zuletzt hat es uns ermöglicht, unser Defizit aufzufangen.

Ein Defizit hat die taz strukturell, aufgrund der geringen Anzeigenerlöse (15 Prozent des Umsatzes statt rund 65 Prozent bei anderen Zeitungen). Aber dieses Defizit, das für die gesamte taz-Geschichte bis Ende 1991 zu einem Bilanzverlust von rund zwei Millionen DM geführt hatte (siehe die Bilanz unten), ist in diesem Jahr angestiegen. Eben weil es uns nicht nur an Geld, sondern auch und vor allem an Einnahmen, und das heißt vor allem an der stabilen Auflage, fehlt. Obwohl sich das Verbreitungsgebiet der taz um die neuen Bundesländer vergrößert hat, ist die Auflage innerhalb von drei Jahren, seit vor der Maueröffnung, um rund 20Prozent gefallen (siehe die Grafik links unten).

Allein die Auflagenverluste der letzten zwölf Monate haben unsere Einnahmen um 100.000 Mark bei den Abonnements und 700.000 am Kiosk (dort war der Rückgang am stärksten) verringert.

Die Auflagenkrise der taz und der Verdrängungswettbewerb unter den Zeitungen, besonders in Berlin, wo gerade der bislang unabhängige Tagesspiegel die Anteilsmehrheit an Holtzbrinck verkaufen mußte, lassen auch notwendigerweise die Anzeigen der taz zurückgehen. Um immerhin zehn Prozent (siehe die Grafik rechts).

Der Vorstand der taz-Verlagsgenossenschaft hat daraufhin daraufhin ein rigides Sparprogramm beschlossen, damit die taz überhaupt bis zum Jahresende weiterarbeiten kann. Stellen wurden abgebaut, während der Sommerzeit die Seitenzahl reduziert (ab 26.September wird wieder aufgestockt). Und wir haben eine Preiserhöhung verabschieden müssen.

Ab Ende Sepember wird die taz am Kiosk 1,70DM kosten, die dickere taz vom Wochenende 1,90DM (in den neuen Ländern einheitlich 1,50). Der Abopreis wird ab Mitte Oktober auf 39,50DM erhöht (StudentInnenabo und neue Länder: 29,50DM). Wir wissen, daß das viel ist, aber nach Marktkriterien müßte die taz am Kiosk sogar runde drei Mark kosten. Wir müssen also unsere LeserInnen fragen, ob sie uns auch „außer Konkurrenz“ wollen. Denn eine Zeitung wie die taz wird es kein zweites Mal geben.

Verluste — und zwei Häuser

Und wem es jetzt zu kompliziert wird, der darf aufhören zu lesen. Den Interessierten möchten wir aber die komplette Vermögenslage der taz nicht vorenthalten. Der aufgelaufene Verlust der taz bis 31.Dezember 1991 in Höhe von zwei Millionen DM ist durch Eigenkapital oder sogenannte eigenkapitalähnliche Mittel in voller Höhe gedeckt. Der erwartete hohe Verlust des Jahres 1992 von 4,6 Mio. DM wird den Bilanzverlust entsprechend vergrößern. Dem steht eine Erhöhung des haftenden Kapitals mittels Übernahme der zu konsolidierenden Unternehmen durch die Genossenschaft gegenüber.

Die Vermögenslage der taz wird sich zum 31.Dezember 1992 dann so darstellen: Dem größeren Bilanzverlust steht zwar noch immer ausreichend haftendes Kapital gegenüber, ein Fortschreiben dieser Entwicklung in das Jahr 1993 hinein würde jedoch nicht nurweitere Kapitalerhöhungen erfordern, sondern auch zu Liquiditätsschwierigkeiten führen. Deshalb stellen wir jetzt die Existenzfrage. Nicht in der Bilanz berücksichtigt sind stille Reserven. Dabei handelt es sich um Abweichungen des in der Bilanz gebuchten Wertes der Grundstücke vom tatsächlichen Markt- oder Verkehrswert. Die taz verfügt über zwei Grundstücke in der Berliner Kochstraße. Der denkmalgeschützte Altbau Kochstraße18 wurde mit Verträgen, die noch vor dem Mauerfall abgeschlossen wurden, für vier Millionen DM gekauft und hat inzwischen einen Vekehrswert von mindestens acht Millionen DM.

Das Grundstück befindet sich im Eigentum der taz Verlags- und Vertriebs GmbH, deren Gesellschafteranteile inzwischen von der taz-Verlagsgenossenschaft übernommen wurden. Ein weiteres Grundstück, die Kochstraße19, wurde 1990/91 bebaut. Dieses Grundstück befindet sich im Eigentum einer anderen taz- Firma, der contrapress Satz und Druck GmbH&Co. Neue KG. An dieser Kommanditgesellschaft sind 247 Kommanditisten mit einem Kommanditkapital von 819.550DM beteiligt.

Vollhaftende Gesellschafterin dieser Kommanditgesellschaft ist die contrapress Satz und Druck GmbH, deren Stammkapital inzwischen ebenfalls von der taz-Verlagsgenossenschaft übernommen wurde. Damit die Genossenschaft auch vermögensrechtlich an dem Vermögen und damit auch an den stillen Reserven beteiligt ist, wird sie das Kommanditkapital der Gesellschaft bis auf 1,5 Millionen DM aufstocken.

Die Frage, ob es die taz im nächsten Jahr noch geben kann, muß bis zum Jahresende beantwortet werden. Wenn die Auflage — und vor allem die Aboauflage, die uns pro Exemplar doppelt soviel einbringt wie der Kioskverkauf — nicht soweit steigt, daß die taz kostendeckend arbeiten kann, dann ist der Zeitpunkt gekommen, an die Liquidation dieses Versuchs einere ganz anderen Zeitung zu gehen. Eine ordentliche Liquidation setzt die Befriedigung aller Forderungen an die taz voraus. Die dank des Mauerfalls boomenden Immobilienpreise würden einen Verkauf der Grundstücke zu Bedingungen möglich machen, die das dann auch gewährleisten werden. Das neue Deutschland hätte dann zwar keine taz mehr, es hätte ihr aber wenigstens ein Begräbnis erster Klasse finanziert. Karl-Heinz Ruch

Geschäftsführer