Wußten Sie denn, was Sie tun?

Plädoyers beim Skin- und Heavy-Metal-Prozeß in Frankfurt/Oder/ Staatsanwalt fordert hohe Strafen/ Fünf junge Männer stehen wegen des Todes von Amedeu Antonio vor Gericht  ■ Aus Frankfurt/O. Bascha Mika

Was bedeutet es, wenn eine Horde junger Männer loszieht, um „Neger aufzuklatschen“? Können sie sich darauf berufen, in jugendlicher Naivität die möglichen Folgen ihrer rassistischen Attacke nicht mitbedacht zu haben? Amedeu Antonio aus Angola ist tot. Er starb im Dezember 1990 im ostdeutschen Eberswalde, zwei Wochen nachdem er von Skins und Heavy-Metals zusammengeschlagen und -getreten wurde. Für das Verbrechen müssen sich fünf junge Männer vor dem Bezirksgericht Frankfurt/Oder verantworten. Die gestrigen Plädoyers des Staatsanwalts, des Nebenklägers und der Verteidigung stellten eine Frage in den Mittelpunkt: Haben die Angeklagten bei ihrer Randale die Tötung von Amedeu Antonio miteinkalkuliert?

Eine „verhärtete, rassistische, menschenfeindliche Motivation“ unterstellte Henry Möller den Männern auf der Anklagebank. In „organisatorischer Übereinkunft“ hätten sie mit rund 50 anderen Jugendlichen den Überfall auf die Schwarzen „abgesprochen“. Durch die „äußerst dynamische Situation“ bei der Attacke sei der Beweis der Schuld allerdings „äußerst schwer zu führen“. Und das machte dem 28jährigen Staatsanwalt in seinem Plädoyer denn auch äußerste Probleme. „Alle wußten es, und alle wollten es“, stellte er fest, um dann kryptisch fortzufahren: Die Angeklagten hätten „die Folgen der Tast nicht absehen“ können, aber „genau gewußt“, daß sie „einen Menschen schlagen, stechen, verletzen“.

Alle Ageklagten wollte er mit Jugendstrafrecht verurteilt sehen. Bei Sven B. sah er keine direkte Tatbeteiligung am Tod Amedeu Antonios, aber „Mittäterschaft“ und „psychologische Unterstützung“. Er forderte vier Jahre und sechs Monate Haft. Die Angeklagten Marek J., Steffen H. und Gordon K. hätten sich in „sukzessiver Mittäterschaft“ der „gefährlichen Körperverletzung mit Todesfolge“ schuldig gemacht. Möller sah es als erwiesen an, daß die drei in dem Kreis um Antonio gestanden und auf ihn eingeprügelt hatten. die Tötung sei aber „fahrlässig“, nicht „vorsätzlich“ erfolgt. Er forderte für Marek J. fünf Jahre und sechs Monate, für die beiden anderen jeweils fünf. Für den Angeklagten Ronny J. beantragte Möller drei Jahre.

Die Frage nach Vorsatz oder Fahrlässigkeit beschäftigte auch den Nebenkläger Ronald Reimann in seiner Würdigung der Beweisaufnahme. Allerdings argumentierte er erfrischend klar und präzise und zog die Konsequenz aus den Widersprüchen des Staatsanwalts. „Aufklatschen“ beinhalte mehr als nur Schlagen. Wie Möller forderte Reimann Jugendstrafrecht für die Angeklagten; allerdings müsse die Strafe so bemessen sein, daß Bewährung ausgeschlossen werde — mindestens zwei Jahre also. Reimann zog die Linie der rassistischen Verbrechen von Eberswalde bis Rostock, sprach von den 20 Toten, die seit der Wende durch Rechtsradikale Gewalt umgekommen sind. „Die Härte der Strafe darf von anderen Tätern nicht als Freibrief betrachtet werden.“ Er verlangte, daß sich die Angeklagten an den Kosten einer Gedenktafel für Amedeu Antonio beteiligen.

Die Verteidiger entschuldigten ihre Mandanten damit, daß sie zwar mitrandaliert hätten, aber „aus Neugier, nicht mit Handlungsabsicht“. Bis auf die Anwältin von Sven B. forderten sie Freisprüche. Das Urteil wird für kommenden Montag erwartet.