PRESS-SCHLAG
: Goldhaarlöwin

■ Heidi Mohr, Deutschlands torgefährlichste Frau, bestritt beim 4:0 in Polen ihr 50. Länderspiel

Da gibt es also seit ein paar Monaten einen speziellen Frauenfußballschuh, und der ist nicht nach Heidi Mohr benannt, obwohl die Niederkirchener Mittelstürmerin zweifellos mit Abstand Deutschlands bekannteste Kickerin sein dürfte. Warum nicht? Weil Kollegin Martina Voss, wie Heidi Mohr mitgekriegt hat, einen Freund hat, der bei jener Sportartikelfirma arbeitet, die zum einen ihren Verein, den TSV Siegen, ausrüstet — und eben auch jenen Voss-Schuh herausgebracht hat. Und mithin also das mitbringt, was der „Goldhaarlöwin“, wie Heidi Mohr bei der WM in China von der dortigen Presse genannt wurde, trotz aller Tore und dem daraus resultierenden Bekanntheitsgrad fehlt: Beziehungen.

„Man braucht halt Beziehungen, denn der Frauenfußball ist immer noch zu wenig angesehen“, sagt die 25jährige Pfälzerin. Warum die Frauen nach zwei Jahren Bundesliga und trotz zwei Europameistertiteln im Rücken den bundesweiten Durchbruch längst noch nicht geschafft haben, weiß die Blonde nur zu genau: „Es wird zu wenig in den Medien berichtet, vor allem im Fernsehen, und das ist halt enttäuschend.“ Keine Publicity, kein Interesse, vor allem auch nicht jenes von Sponsoren, die nur dort großzügig verteilen, wo Sendezeiten winken. Und damit kann selbst der Mohr-Verein TuS Niederkirchen als eins von vier Spitzenteams in Deutschland nicht dienen. „Wenn was kommt“, klagt Heidi Mohr, „dann die Tore, und das war's dann schon.“ Und dieses auch nicht in der allerersten Reihe, sondern ab und zu in der „Hessenschau“.

Weil also Heidi zwar trotz verschärfter Bewachung ihre Tore weiterhin in Müllermengen abliefert, das der Öffentlichkeit aber längst nicht mehr so mitgeteilt wird, wie noch im vergangenen November, als sie bei der WM in China siebenmal traf, geht die Popularitätsnadel, die damals weit nach oben ausschnellte, unweigerlich zurück. Und Angebote, mit denen Geld zu verdienen wäre, in der Werbung etwa, blieben damals und bleiben weiterhin aus: „Wenn jemand was machen will“, sagt Heidi Mohr, „ich warte immer noch.“ Und nach einer für sie eher untypischen Sprechpause: „Ich hoffe immer noch.“

Obwohl, das muß gesagt werden, sie mit ihrem Status quo alles andere als unzufrieden ist. Als Lageristin in einer Sportartikelfirma muß sie zwar wie alle anderen Bundesligaspielerinnen auch fünf Tage in der Woche arbeiten, doch für die Nationalelf „werde ich freigestellt und hab' noch meinen Urlaub“. Der ansonsten, wie das bei anderen der Fall ist, voll und ganz dafür draufginge, denn der Einsatz für's Vaterland ist zeitintensiv. Gerade erst waren die Frauen mit Gero Bisanz drei Tage zum Trainieren in Saarbrücken versammelt, dann wurde in Bad Kreuznach als Vorbereitung auf das EM-Viertelfinale ein Spiel gegen Frankreich mit 7:0 gewonnen. Und dann ging es gleich weiter Richtung Polen, wo Heidi Mohr am Wochenende für ihr 50. Länderspiel geehrt wurde.

Und mit zwei Treffern beim 4:0-Sieg ihren atemberaubenden Torquotienten weiter ausbaute. 40 mal hat sie bisher getroffen, doch den Vergleich mit dem einzigen Deutschen, der Besseres aufzuweisen hat, dem Nördlinger Gerd Müller, hört sie nicht gern. Erstens könne man Männer- nicht mit Frauenfußball vergleichen, und außerdem: „Gerd Müller war ein Abstauber. Ich würde meine Spielweise eher mit der Rudi Völlers vergleichen.“ Also zurückfallen lassen ins Mittelfeld, ausweichen auf die Flügel, Tore nicht nur schießen, sondern auch für andere vorbereiten.

Heidi Mohrs großes Ziel lautet: „Ich will ins Endspiel um die Deutsche Meisterschaft oder ins Pokalendspiel.“ Mit dem TSV Siegen könnte sie beides haben und noch mehr, doch nach Siegen möchte die heimatverbundene Pfälzerin trotz TSV-Manager Gerd Neusers innigster Aufforderung nicht gehen. „Ich seh' das nicht ein, daß die immer die besten Spielerinnen holen“, sagt sie. Und: „Für mich ist das kein Anreiz, jeden Sonntag genau zu wissen, daß man 6:0 oder 7:0 gewinnt.“ Und das Geld? Ah ja, Geld, mehr hätte sie in Siegen allemal bekommen, aber mehr ist nicht viel. „Wenn ich viel Geld verdienen würde, würde ich nicht mehr arbeiten“, sagt Heidi Mohr. Und? Selbst bei Siegen stehen alle Spielerinnen in einem Arbeitsverhältnis.

Außerdem, fast überflüssig zu betonen, ist Geld längst nicht alles. Niederkirchen ist zwar ein Dorf, aber „stolz, eine solche Mannschaft zu haben“, auch und gerade stolz auf Heidi Mohr, und die fühlt sich in der Heimat am wohlsten. Peter Unfried