■ MIT DER TAZ-KRISE AUF DU UND DU
: Die Genossenschaft

Ganz wie es sich gehört: Die Mitglieder unserer Genossenschaft, die ja jetzt Eigentümer der taz sind, haben wir als erste informiert — über unsere Verluste, die Sanierungsmaßnahmen und die große ultimative Abokampagne. Der Brief ging letzte Woche an die 3.000 taz- FreundInnen, die sich bislang mit (meist) 1.000 bis (in einem Fall) 50.000 Mark beteiligt haben, insgesamt mit 4,68 Millionen.

War die neue Genossenschaft nun ein Reinfall, weil die taz heute sagt: „5.000 Rettungsabos. Sonst ist am Jahresende Schluß“? Durchaus nicht. Ihre Gründung hat uns nicht nur das Eigenkapital verschafft, mit dem wir dieses Jahr überhaupt erst überstehen konnten — trotz rückläufiger Auflage. Ohne sie hätten wir weder unsere Investitionen in neue EDV-Technik (in Kürze wird auch der Hamburger Lokalteil neu ausgestattet) finanzieren noch die oft kostspieligen Trägerdienste bezahlen können, die nach und nach die auch so späte und unzuverlässige Postzustellung ablösen sollen. Neben einigen kleineren Städten haben wir jetzt Berlin voll im Trägergriff, bald wird auch ganz Hamburg die taz schon früh am Morgen im Briefkasten haben.

Die Gründung der Genossenschaft hat aber auch noch anderes bewirkt, das wir nicht mehr missen möchten. Im Innern hatte zuvor die Unzufriedenheit der Mitarbeitenden mit den nur noch so genannten Selbstverwaltungsstrukturen überhand genommen, die in einem Betrieb von 150 Leuten nur noch die organisierte Verantwortungslosigkeit legitimierten. Unsere neuen Entscheidungsstrukturen setzen weiter auf das Engagement und die Ideen von möglichst vielen, machen aber auch RessortleiterInnen verantwortlich für die Folgen ihrer Entscheidungen.

Nach außen dokumentiert die taz-Verlagsgenossenschaft, daß es weiterhin keinen Kapitalgeber mit entscheidendem Einfluß gibt. Und das, während der Konzentrationsprozeß der deutschen Presse munter voranschreitet. Gerade auf dem Berliner und ostdeutschen Zeitungsmarkt geht immer mehr Meinungsvielfalt verloren. International operierende Medienkonzerne übernehmen nach und nach die „Presseprodukte“. Die Frage von deren Sein oder Nichtsein wird dann nur noch zwischen Marktforschung und Betriebswirtschaft entschieden. Der Morgen war so lange Springers liberales Aushängeschild im Osten, bis ihm von heute auf morgen der Geldhahn abgedreht wurde. Und nach der publizistischen Unabhängigkeit des Berliner Tagesspiegel, der gerade von Holtzbrinck (Handelsblatt) gekauft wurde, muß man, wie die FAZ richtig schrieb, nicht die alten Verleger fragen, die natürlich keine Gefahr sehen, sondern den Käufer.

Die Genossenschaft ist eine Garantie für die Unabhängigkeit der taz, deshalb suchen wir auch weiter neue Mitglieder. Doch eine zweite Voraussetzung ist, daß die Auflage stimmt — denn sonst müßte die Genossenschaft immer weiter Verluste tragen. Vorstand und Aufsichtsrat werden deshalb der Genossenschaftsversammlung am 12.Dezember nur dann vorschlagen, die taz weiterzuführen, wenn mit 5.000 neuen Abos gesichert ist, daß wir 1993 kostendeckend arbeiten können. Karl-Heinz Ruch