Haftbefehle gegen die Pogrom-Täter von Halle

Keine Klarheit über die möglichen Verbindungen zwischen den Brandstiftern und der rechtsradikalen Szene in Halle  ■ Von Bettina Markmeyer

Halle/Berlin (taz) — Nach den schweren Brandanschlägen auf die Wohnungen von VietnamesInnen in zwei Hallenser Mietshäusern in der Nacht zum Montag hat die Staatsanwaltschaft gestern gegen sieben Jugendliche Haftbefehl erlassen, ein weiterer ist wieder frei. Die acht waren zwei Stunden nach den Anschlägen in der Nähe des zweiten Tatorts festgenommen worden. Wie der stellvertretende Leiter der Hallenser Staatsanwaltschaft, Klaus Heine, gestern bekanntgab, wird allen sieben Tatverdächtigen, die zwischen 16 und 19 Jahren alt sind, versuchter Mord, schwere Brandstiftung, Sprengstoffbesitz und schwerer Landfriedensbruch vorgeworfen.

Die Vorwürfe beziehen sich bisher nur auf den zweiten Anschlag in der Merseburger Straße, bei dem die Jugendlichen nach den bisherigen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft neun Brandsätze in den Flur des Hauses sowie gegen die Wohnungstür zweier Vietnamesen im zweiten Stock geworfen hatten. Bei den Festgenommenen waren in der Nacht zum Montag außerdem ein Schreckschußtrommelrevolver, Baseballschläger, ein Eispickel, ein Schlagstock, ein Axtstiel und ein Stahlrohr sichergestellt worden. Ob die Gruppe auch für den ersten Anschlag in der Dieskauer Straße, bei der eine Vietnamesin schwere Brandverletzungen an Füßen und Unterschenkeln erlitt, verantwortlich sind, vermochten gestern weder die Hallenser Polizei noch die Staatsanwaltschaft zu sagen. Es werde weiter ermittelt.

Man wolle, sagte Heine der taz, mit den Haftbefehlen „ein Zeichen setzen. Der Rechtsstaat hat die Saiten gespannt.“ Einen vergleichbar schweren Anschlag habe es in Halle bisher nicht gegeben.

Während der Hallenser Polizeipräsident Herrmann nach ersten Vernehmungen der Jugendlichen erklärt hatte, sie seien nicht dem harten Kern der rechten Szene der Stadt zuzurechnen, wollte Staatsanwalt Heine gestern weder über die Tatmotive noch über mögliche Verbindungen der Verhafteten zu rechtsradikalen Gruppen irgendwelche Angaben machen. „Die Motivlage“, so Heine, „ist im Augenblick nicht erstrangig.“

Den Vietnamesen, deren Wohnung in der Merseburger Straße durch Rauch und Hitze völlig zerstört ist, sowie drei anderen Parteien aus dem Haus, darunter zwei deutschen Familien, hat das Hallenser Wohnungsamt gestern Ersatzwohnungen angeboten, nachdem es am Montag zunächst so aussah, als blieben die Opfer des Anschlags bei der Wohnungssuche sich selbst überlassen. Alle vier Mietparteien wollen das Haus verlassen. Wie die Vietnamesen, die vor über vier Jahren als Vertragsarbeiter in die DDR kamen, haben auch die deutschen Familien Angst, „daß die Skins wiederkommen“. „Die kommen solange“, vermutete ein deutscher Bewohner des Hauses, „bis die Vietnamesen weg sind.“

Eine der Familien ist bereits zu Verwandten in ein Dorf bei Halle geflüchtet, eine zweite übernachtet seit dem Überfall in ihrer Laube, die Vietnamesen kamen bei befreundeten Landsleuten unter. Während fünf Kinder aus dem Haus wegen Rauchvergiftung im Krankenhaus behandelt werden mußten, haben die Erwachsenen — auch die Vietnamesen, die von dem Feuer in ihrer Wohnung eingeschlossen worden waren — entgegen ersten Angaben keine Verletzungen davongetragen. Sie hätten „Glück gehabt“, mit dem Leben davongekommen zu sein, sagte ein Vietnamese. Fassungslos zeigten sich die deutschen BewohnerInnen, daß sie, wie es eine Frau formulierte, nunmehr Gewalttätern weichen und ihre seit 18 Jahren gemietete Wohnung aufgeben müßten, „nur weil wir mit Ausländern in einem Haus wohnen“.