Südafrikas Fronten werden immer härter

Während die Homeland-Armee der Ciskei weiter gegen ANC-Sympathisanten vorgeht, mehren sich die Anzeichen für eine noch unnachgiebigere Haltung der südafrikanischen Regierung/ ANC weitet seine Proteste auf weiteres Homeland aus  ■ Aus Johannesburg W. Germund

Soldaten der Ciskei durchsuchten gestern nachmittag Häuser in Dörfern der Umgebung von Bisho, der Hauptstadt des Homelands. Journalisten wurden mit Schüssen vertrieben. Die Soldaten sind offensichtlich auf der Suche nach Teilnehmern der Demonstration vom Montag, bei der 28 Menschen getötet und etwa 200 verletzt wurden. Der 22jährige Mzolisi Ngalo berichtete mit einer Kopfwunde und Striemen von Peitschenhieben auf dem Rücken, Ciskei-Polizisten in Zivil hätten ihn aufgegriffen, auf die Polizeiwache gebracht und dort verprügelt.

In einigen Dörfern zündeten Bewohner die Häuser von Mitgliedern der Sicherheitskräfte der Ciskei an. Chris Hani, Generalsekretär der Kommunistischen Partei Südafrikas (SACP), hatte nach dem Blutbad erklärt: „Die Soldaten, die auf uns geschossen haben, müssen vom Volk bestraft werden.“

Der Afrikanische Nationalkongreß (ANC), dessen Vorstand gestern tagte, zeigt vorerst keine Anstalten, Protestaktionen gegen Homeland-Führer einzustellen. Gestern versammelten sich in Phuthadithjaba, der Hauptstadt des Reservats Quaqua, mehrere tausend ANC- Anhänger und verlangten den Rücktritt von Chief Minister T. J. Mopeli. Die Demonstration verlief weitgehend friedlich, und Mopeli hatte auch nichts gegen den Protestzug einzuwenden: „Die Leute können demonstrieren, wenn sie wollen. Ich werde aber nicht zurücktreten, bevor Südafrika eine neue Verfassung hat.“

Die Gelassenheit dieses Homeland-Chefs dürfte gegenwärtig in Südafrika die Ausnahme sein. Ciskei-Chef Oupa Gqozo weigert sich weiter beharrlich, seinen Rücktritt zu erwägen. Aus ANC-Kreisen verlautet, es würde gegenwärtig eine Übergangslösung diskutiert. Freilich gibt es keine Einzelheiten. Ein Referendum in der Ciskei hat Gqozo bereits abgelehnt.

Aber in Südafrika mehren sich besorgte Stimmen. „Wenn wir nicht bald die politischen Spielchen der wichtigsten politischen Organisationen stoppen“, warnte am Mittwoch die liberale Tageszeitung The Star, „ist unser Land zum Untergang verurteilt.“ Tatsächlich deuten gegenwärtig alle Anzeichen am Kap auf eine noch stärkere Entzweiung zwischen der weißen Minderheitsregierung und dem ANC hin. Während am Montag in der Ciskei auf Demonstranten geschossen wurde, hielt Staatspräsident Frederik W. de Klerk in der Hauptstadt Pretoria eine Konferenz über Föderalismus ab, zu der seine wichtigsten politischen Alliierten erschienen. Die Konferenz war Teil eines Plans, den ANC unter Druck zu setzen: Sollte die Widerstandsbewegung nicht bereit sein, bald an den Verhandlungstisch zurückzukehren, könnten politische Veränderungen bis hin zu allgemeinen Wahlen auch ohne Beteiligung des ANC vollzogen werden. Für Oktober beraumte de Klerk eine Sondersitzung des weißen Minderheitsparlaments an, bei dem solche einseitigen Reformen beschlossen werden könnten. Gestern mehrten sich überdies Gerüchte, die Regierung könnte vom ANC verlangen, als Vorbedingung für neue Gespräche alle Kontakte zu den Kommunisten der SACP abzubrechen.

Die harte Taktik mag verlockend scheinen, doch das Blutbad von Bisho zeigt, wie riskant sie ist. Der ANC will mit Protestaktionen und Streiks den Druck verstärken und würde wohl weiter zu solchen Mitteln greifen, wenn er sich stärker ausgegrenzt fühlt. Das nötige Potential besitzt die Gruppierung, wie die über 40.000 Teilnehmer an der Demonstration gegen Homeland-Führer Oupa Gqozo bewiesen.

Die weiße Minderheitsregierung unter Frederik de Klerk rechnet sich dagegen offenbar weiter Chancen aus, auch nach allgemeinen freien Wahlen an der Macht zu bleiben. Außenminister Pik Botha erklärte kürzlich: „Wir werden gewinnen.“ Eine Haltung, die laut Star an der Wurzel des Übels liegt: „Es ist unwichtig, daß diese Hoffnung völlig unrealistisch ist; es zählt aber, daß die Regierung von der Möglichkeit überzeugt ist und deshalb alles daransetzt, dieses Ziel zu erreichen.“