Mieten in Altbauten verdreifachen sich

■ Tausende von MieterInnen in modernisierten Altbauten sind betroffen/ Nach Paragraph 18 Wohnungsbaugesetz finanzierte Wohnstätten gelten als Sozialwohnungen/ Musterprozeß von Mietern der Blumenthalstraße/ Gestiegene Bankzinsen dürfen nun sukzessive auf die Mieten umgelegt werden

Ein böses Erwachen erleben einige tausend MieterInnen, die in modernisierten Altbauten wohnen, wenn die Sanierung ihrer Häuser über den sogenannten Paragraphen 17 des Wohnungsbaugesetzes finanziert wurde. Diese Wohnungen gelten nach der Sanierung als Sozialwohnungen mit allen Konsequenzen, auch der, daß die Mieten genauso steigen dürfen wie im sozialen Wohnungsbau. Dabei gibt es in letzter Zeit ein besonderes Problem: Um diese Häuser zu bauen, haben die Bauherren Kredite — die in der Regel auf zehn Jahre befristet wurden — aufgenommen. Die Bankzinsen darauf sind jedoch im Vergleich von vor zehn Jahren immens gestiegen. Da die Kredite nun sukzessive auslaufen, dürfen die Zinsen wie im sozialen Wohnungsbau auf die Miete umgelegt werden. Diese Umlage ist bei Sozialwohnungen schon hoch genug: Mietsteigerungen um die 80 Prozent bei Hunderten von Häusern jedes Jahr wären die Regel, hätte nicht der Senat, auf Mieterproteste hin, eine sogenannte Kappungsgrenze eingeführt, eine Maximalmiete von neun Mark kalt pro Quadratmeter. Die Differenz finanziert das Land Berlin. Bei den modernisierten Altbauten gilt diese Kappungsgrenze zwar auch. Das nützt den MieterInnen jedoch nichts, denn die Wohnungen waren — da sie zuvor Altbauten waren — von Anfang an viel billiger. So kann sich hier die Miete legal verdoppeln und verdreifachen. Wie das konkret aussieht, das erfährt derzeit Lara N. Seit 1986 wohnt die alleinstehende Mutter in einer Zweizimmer-Altbau-Wohnung in SO 36. Die Wohnung, ursprünglich für 445 Mark gemietet, sollte ab November 1990 plötzlich 587 Mark kosten. Im März 1991 sandte die Eigentümerin, die Bellevue-GmbH — eine Nachfolgerin der Vogel/Braun-Gruppe —, eine weitere Mieterhöhung. Nun sollte Frau N. 612 Mark zahlen. Drei Monate später wollte die Bellevue gar 840 Mark Miete haben — für die junge Frau, die sich und ihr Kind mit einer Halbtagsstelle durchbringt, ist dies völlig unmöglich. Die Begründung für all diese Erhöhungen war, daß die Zinsen gestiegen seien. Frau N. geht jetzt vor Gericht, und ihre Chancen stehen nicht schlecht. Denn zum einen ist es umstritten, ob es sich bei den Häusern, die nach § 17 saniert wurden, um Altbau oder Neubau handelt. Als dieses Förderprogramm aufgelegt wurde, ging man davon aus, daß man in einem Altbau sowieso nicht menschenwürdig wohnen könne, mithin ein gründlicher Umbau bis hin zur Grundrißveränderung der Wohnungen nötig sei. Damit würde neuer Wohnraum geschaffen. Heute sieht man das anders. Entsprechend endete ein Prozeß, den einige MieterInnen der Schöneberger Blumenthalstraße 1 und 2 führten, die die Neue Heimat nach § 17 saniert hatte. Die MieterInnen bekamen in zweiter Instanz vor dem Zivilgericht recht: Das Landgericht definierte die Häuser in der Blumenthalstraße als Altbau. Anders urteilten jedoch in diesem und in vergleichbaren Fällen die Verwaltungsgerichte: Für sie sind diese Häuser nach wie vor Neubau im sozialen Wohnungsbau mit den üblichen Konsequenzen, wozu gehört, daß die Mieter zur Fehlbelegungsabgabe herangezogen werden, aber auch Mietausgleich beantragen können. Für den Rechtsstreit zwischen Lara N. und der Bellevue GmbH sind aber die Zivilgerichte zuständig. Aber auch wenn das Haus, in dem sie wohnt, als Altbau anerkannt wird, ist die Mieterhöhung damit nur zum Teil vom Tisch. Während beim sozialen Wohnungsbau die tatsächliche Erhöhung der Kreditzinsen auf die Miete umgelegt werden darf, ist die Rechtslage beim Altbau komplizierter, wie Reiner Wild vom Berliner Mieterverein es erläutert: Nur der Teil der Zinsen darf auf die Miete umgelegt werden, der über dem Zinssatz eines bestimmten Stichtags liegt. Bei Mietverhältnissen, die vor Januar 1973 abgeschlossen wurden, ist dieser Stichtag der 1. Januar 1973. Bei später abgeschlossenen Mietverhältnissen ist dieser Stichtag der Tag, an dem die Wohnung vermietet wurde, Lara N. wird wohl Glück haben: 1986, als sie ihren Mietvertrag unterschrieb, waren die Zinsen fast so hoch wie heute. Einen Nachteil haben solche MieterInnen allerdings, wenn sie ihre Wohnungen per Gerichtsbeschluß in Altbau umwandeln: Die Kappungsgrenze von neun Mark den Quadratmeter gilt dann nicht mehr, erläuterte der Sprecher der Wohnungsbaukreditanstalt, Hoffmann. Ob die MieterInnen davon viel haben, ist fraglich, zudem diese Kappungsgrenzen auch sukzessive steigen.

Einen praktischen Vorschlag, diesen Zinserhöhungen auch im sozialen Wohnungsbau zu mildern, machte jüngst der Vermieter Dr. Volker Kluge, der für die evangelische Kirche Wohnungen verwaltet: Wenn die Laufzeit der Kredite um einige Jahre gestreckt würde, müßte der Bauherr weniger Tilgung bezahlen, die ebenfalls auf die Miete umgelegt wird. Das würde eine Erhöhung der Zinsen wenigstens teilweise ausgleichen. Zusätzlicher Vorteil für die MieterInnen: Solange die Kredite nicht völlig abgezahlt sind, bleiben die Wohnungen preis- und belegungsgebunden. Während die Sparkasse, die den Kredit gab, damit einverstanden war, sperrte sich die WBK, die Vermittlerin, dagegen. Die Begründung, so WBK-Sprecher Hoffmann: »Wenn sich die Laufzeit des Kredits verlängert, verlängert sich auch die Laufzeit der Bürgschaft, für die wir geradestehen.«

Auf der anderen Seite wäre jedoch die öffentliche Hand entlastet: Weniger Wohngeld müßte gezahlt werden, auch die Beträge, die das Land Berlin aufbringen muß, um die Kappungsgrenze zu finanzieren, fielen weg. Da jedoch ist eine politische Entscheidung gefragt. Eva Schweitzer