: Von alten zu neuen Frauenbewegungen
Zehnte Bremer Frauenwoche: Rassismus, Nationalismus, Befindlichkeiten und das leidige Geld ■ Aus Bremen Diemut Roether
Die Reihen haben sich gelichtet, die Säle sind leerer geworden. „Früher“, erzählt eine Bremerin, „war hier in der Uni alles voll mit Frauen. Und jeder in Bremen kriegte mit, daß Frauenwoche war.“ Bremer Frauenwoche, die zehnte: Trotz Jubiläum kleben in diesem Jahr kaum Plakate, die Besucherinnen verlieren sich fast in dem großen Foyer. Nur die Verkaufsstände für Mineralien und Edelsteine, für Seidentücher und „himmlische Düfte“ sind üppig wie eh und je. Auch ein Zeichen für die Krise der Frauenbewegung? Oder nur eine Frage des Geldes? Besucherinnen der Frauenwoche mußten in diesem Jahr erstmals Eintritt bezahlen. „Wir wollten schauen, ob Frauen bereit sind, so etwas mitzufinanzieren“, sagt Olga Prunk, eine der Organisatorinnen. Denn wie so viele Projekte steckt die Frauenwoche in der Finanzkrise: Von 60.000 Mark Schulden aus dem letzten Jahr sind 15.000 noch nicht abgetragen. Und von der Kürzung von ABM-Stellen sind die Bremerinnen besonders hart getroffen: Nur 2 von 6 Stellen sind ihnen bewilligt worden und auch diese sind nach dem bundesweiten ABM-Stopp-Signal aus Nürnberg unsicher. Für die Organisatorinnen erweist sich hier natürlich auch, „inwieweit der Staat überhaupt bereit ist, feministische, antirassistische Arbeit zu honorieren.“
Rassismus in der Frauenbewegung
Denn die Bremer Frauenwoche gehörte zu den ersten Foren, auf denen das Thema „Wie rassistisch ist die Frauenbewegung?“ öffentlich debattiert wurde. „Vor drei Jahren haben uns alle angegriffen, wenn wir das Wort Rassismus in den Mund nahmen. Jetzt erst reden Frauen auch von Rassismus, weil es sich nicht mehr vermeiden läßt“, sagt Olga Prunk. Rose Baaba Folson, auch eine Organisatorin, stellt fest, seit der Rassismus greifbar geworden sei, nehme das Schweigen der weißen gegenüber den schwarzen Frauen zu. „Viele Frauen haben Angst, wir könnten sie in eine Diskussion verwickeln. Das ist wie in der Nazizeit, da hat man die Juden auch zuerst einmal angeschwiegen.“
Am Anfang und am Ende der Diskussionen über Rassismus und antirassistische Strategien steht Ratlosigkeit: „Ich habe Angst“, sagt eine weiße Frau, als die Rede auf brennende Flüchtlingsheime, Skinheads und Polizeikessel kommt. Doch wieviel Angst müssen erst die in Deutschland lebenden schwarzen Frauen haben? „Einem Skinhead ist es egal, ob ich einen deutschen Paß habe oder nicht“, stellt die Afro-Deutsche Katharina Oguntoye fest.
Die Empörung und die hilflose Betroffenheit über die rassistischen Ausbrüche in Deutschland verdrängten auch fast das eigentliche Thema der zehnten Bremer Frauenwoche: „Von alten zu neuen Bewegungen“. Zwanzig Jahre Frauenbewegung, zehn Jahre Frauenwoche, zehn Jahre Rassismusdebatte. Höchste Zeit, Bilanz zu ziehen. Auf der Frauenwoche geschah dies anhand einer Frage, die Besinnungsaufsätze geradezu herausforderte: „Was haben zwanzig Jahre Frauenbewegung dir gebracht?“
Für die einen ist die Frauenbewegung in der Krise, für die anderen legt sie nur eine Ruhephase ein. Doch von Ruhe kann für die nicht- weißen Frauen gerade jetzt keine Rede sein, erinnert Olga Prunk. „Die Power fehlt“, stellt sie fest.
Daß die Frauenbewegung sich in der Rassismusfrage teilt, ist kaum zu übersehen. „Die weiße Frauenbewegung kann sich von den Männern isolieren, wir können das nicht. Wenn wir von Rassismus sprechen, denken wir immer auch an unsere Männer, Brüder und Söhne“, sagt die schwarze Niederländerin Josce Maas. „Die mit ihren falschen Theorien!“ fügt sie nach kurzer Pause hinzu. Und die Ex-Jugoslawin und heutige Kroatin Mira Renka wirft der deutschen Frauenbewegung ihre Institutionalisierung vor. Wenn es um die Frage gehe, ob die Bewegung rassistisch sei, würden Ausschüsse gebildet, Sitzungsprotokolle geschrieben und Resolutionen verfaßt, in denen zu lesen sei: „Wir müssen Formen der Diskussion entwickeln, die diesem sensiblen Thema angemessen sind.“ Doch eine Quotierung für nichtdeutsche Frauen in Frauenprojekten werde abgelehnt.
Staatsknete und Politikverdrossenheit
Die Jagd nach dem lieben Geld ist für Frauenprojekte ein größeres Problem denn je, und die Frage, ob Staatsknete korrumpiert, ist immer noch umstritten. Der Staat habe die Pflicht, feministische Projekte zu unterstützen, finden die einen. Die anderen, nicht zuletzt die Frauenwochen-Frauen selbst, stöhnen über die Antragsformulare, die sie Jahr für Jahr ausfüllen müßten, um die gehaßte, ersehnte Staatsknete zu erhalten.
Die Frage, wie die Frauenbewegung sich in die Politik einmischen, mitgestalten könnte, bewegt auf der Frauenwoche nur wenige. „Die Frauenbewegung wird sich nie an der herrschenden Politik orientieren“, sagt Olga Prunk. Frauen seien nicht für die kollektive Bewußtseinsbildung verantwortlich. „Bündnispolitik“ wird von vielen abgelehnt: „Ich kann bei der CDU — und die CDU steht bei mir für alle Parteien — keine Bündnispartnerinnen finden“, sagt Frauenwochenorganisatorin Gundula Oerter. Sie hält es für wichtiger, daß Frauen „untereinander reden“.
Die in Berlin lebende Jugoslawin Mira Renka hingegen erinnert daran, daß „alles uns was angeht: Krieg, Nationalismus, der Staat. Das ist nicht nur eine Männerwelt.“ Zweifel an der alten Utopie, daß Frauen den Krieg verhindern könnten, äußerte die Slowenin Vlasta Jaluzic. In Kosovo hatten die Frauen demonstriert, weil sie Krieg wollten.
Einmischung, vor allem in die Verfassungsdiskussion, forderte dagegen die Gruppe „feministischer Land-Kreis“. Vor allem den Artikel 116, der über die deutsche Staatsangehörigkeit bestimmt, wollen diese Frauen ändern: Wer deutsch ist, dürfe nicht länger eine Frage des Blutes sein. In Frankreich, den USA und Kanada sei die Geburt im Lande entscheidend für die Staatsangehörigkeit.
Eine Resolution wurde schließlich auch verabschiedet, in der die Frauen fordern, daß die Bundesrepublik Deutschland sich zum Einwanderungsland erklärt und verlangt wird, die Asyldebatte in Politik und Medien sofort einzustellen, weil sie die Situation verschärfe. Die rassistische Gewalt eskaliere durch das bewußte Nicht-Eingreifen des Staates und durch Ausländergesetze, die Eingewanderten grundlegende Bürgerrechte verweigerten.
Eine Bilanz ist den Frauen dennoch nicht gelungen, ebensowenig eine Standortbestimmung. Über die Frage, wo die Frauenbewegung steht, ist eben keine Einigkeit zu erzielen. Doch wo Moderatorinnen wiederholt „der Versuchung widerstehen, die Diskussionsbeiträge zusammenzufassen“, sind Befindlichkeiten auch wichtiger als Argumente und Analysen.
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