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„Wendehälse“ mit guten Aussichten

■ Ausgang der Parlamentswahlen noch völlig ungewiß/ Vorherrschendes Wahlkampfthema: Das Massaker vom Mai

Bangkok (taz) — Wird die zukünftige Regierung Thailands das notwendige Rückgrat, die Kraft und den Mut aufbringen, den alten Machtgruppen die Stirn zu bieten? Ein Thema beherrschte sämtliche Wahlveranstaltungen: das Massaker der Militärs an den Demonstranten im Mai dieses Jahres. Dabei kamen mindestens 56 Menschen um. Mehr als 350 sind noch vermißt, ihr Schicksal ist bis heute ungeklärt. Nach dem erzwungenen Rücktritt von Putschgeneral Suchinda gelang es der durch den König eingesetzten Übergangsregierung unter Anand, ein paar wichtige Schritte in Richtung Demokratisierung des Landes zu unternehmen. Die verhaßten Militärführer, verantwortlich für die blutige Niederschlagung der Proteste, verloren ihre Posten. Umfangreiche Bestechungsmanöver aus der kurzen Zeit der Herrschaft Suchindas wurden aufgedeckt, bereits unterzeichnete Verträge wieder rückgängig gemacht. Regierungsgeschäfte wurden transparanter, Entscheidungskriterien bei der Beurteilung von Großprojekten, einer häufigen Quelle von Bestechungsgeldern, offengelegt.

Und dennoch blicken viele ThailänderInnen mit Skepsis in die Zukunft. Seit Wochen beherrschen gegenseitige Anschuldigungen der Parteien den Wahlkampf, berichtet die thailändische Presse täglich von Verleumdungen, Einschüchterungen und Stimmenkauf. Den meisten Umfrageergebnissen zufolge hat die neugegründete Chart Pattana Partei unter Ex-Premier Chatichai die größten Chancen, landesweit die meisten Stimmen einzuheimsen.

Im Februar des vergangenen Jahres von den Militärs gestürzt, gehört Chatichai zu jener typischen Spezies wendefreudiger thailändischer Politiker, denen man nachsagt, sie hätten sich längst wieder mit den Militärs versöhnt. Mit einem Kopfgeld von bis zu 500.000 DM gelang es ihm, besonders aus den Reihen der sich nach dem Mai-Massaker auflösenden Pro-Militär-Parteien, sich mehr als 80 ehemalige Parlamentsabgeordnete zusammenzukaufen.

Ihm gegenüber steht der Block der ehemaligen Oppositionsparteien der Anti-Suchinda-Koalition, darunter auch der charismatische ehemalige Gouverneur von Bangkok, Chamrong Srimuang. Seiner Partei, der Palang Dharma, traut man zwar einen überwältigenden Sieg in Bangkok zu, doch auf dem Lande, wo Stimmenkauf und die Patron-Klient- Netzwerke lokaler Machtgruppen seit jeher über Wahlerfolge bestimmen, gibt es für seine an buddhistischer Moral orientierten Partei nicht viel zu gewinnen.

Anlaß zur Sorge geben auch die Einschüchterungen gegen exponierte Persönlichkeiten, insbesondere aus dem Lager der außerparlamentarischen demokratischen Opposition. Die Attacken reichen von Drohanrufen bis hin zu Attentaten und Bombenanschlägen. Täter konnten bislang nie gefaßt werden. Thailändische Zeitungen vermuten daher die Täter in den Reihen pro-militärischer Untergrundgruppen und befürchten für die Zeit nach den Wahlen eine Zunahme des individuellen Terrors. Dies insbesondere für den Fall, daß eine neue Regierung aus den Reihen des ehemaligen Oppositionsblocks die begonnenen Reformen fortsetzt und die institutionelle Rolle des Militärs in Staat und Politik weiter reduziert. Paul Simon

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