Trompetende Elefanten und leise zu essende Fluxus-Burger

In Köln wird zu ihrem 30. Geburtstag die Fluxus-Bewegung wiederbelebt  ■ Von Stefan Koldehoff

Während im fast fertiggestellten Parkhaus eines großen Kaufhauses am Kölner Neumarkt noch die Sägen, Hämmer und Bohrmaschinen dröhnen, sitzt ein Künstler ratlos vor seinem fast fertiggestellten Kunstwerk. „Wie nennt man es, wenn Elefanten Töne von sich geben?“ fragt er. „Trompeten“, antworte ich, „wie das Instrument.“ „The Fluxus elefants are trumpeting for glory“ schreibt Ben Vautier mit schwarzem Filzstift auf den Holzkasten, der seine transportable Mini- Galerie enthält. Die drei batteriebetriebenen Plüschelefanten, die vor dem Ensemble stehen, heben rührend regelmäßig die Rüssel und geben tatsächlich Laute, die entfernt an Trompeten erinnern, von sich. „Ben's Museum“, zwei durch ein scharnier aufklappbare zwei mal zwei Meter messende Holzwände mit unzähligen Bildern und Trouvaillen, formuliert so unfreiwillig schon vor ihrem Beginn das künstlerische Ende einer Ausstellung, die in ihrem vergeblichen Bemühen, die Vergangenheit wiederauferstehen zu lassen, einer komischen Tragik nicht entbehrt.

„This box contains good bad old new true false pinched ideas“, hatte Vautier in den sechziger Jahren auf die Außenseite seiner Klappkiste geschrieben, die sich irgendwann selbst überlebt haben würde, und als Gebrauchsanweisung hinzugefügt: „To close 10 cm every year, then put it into the basement for ever.“ Der Hinweis wurde nicht verstanden. Sein genaues Gegenteil hat dort der Initiativkreis „Fluxus e.V.“ versucht. Weil sich in diesem Jahr der Beginn der Fluxus-Bewegung zum 30. Mal jährt, soll noch bis zum 27.September eine große „Fluxus- Virus-Party“ im Kaufhof-Parkhaus beweisen, daß Fluxus eben doch nicht tot ist. „30 Jahre immer noch unbewältigter Vergangenheit, wenig beachtet und doch immer präsent“, beschwor die Vereinsvorsitzende zur Eröffnung. Und so wurden denn alle großen Fluxus-Elefanten am Rhein zusammengetrieben, auf daß sie zur Ehre der einst so erfrischenden, heute in unzähligen Ausstellungen und Seminaren aber eher abgefeierten Idee von der Intermedialität der Kunst noch einmal gemeinsam trompeten sollten.

Natürlich sind alle großen Namen des Fluxus von Cage, Paik und Moormann bis hin zu Yoko Ono, Bauermeister, Takako Saito und dem unvermeidlichen Wolf Vostell präsent — mehr als präsent dann aber oft auch nicht. Joseph Beuys etwa vertreten zwei signierte Fotos und ein kleines Wirtschaftswerte-Päckchen in pompösen Metallrahmen, Charlotte Moormann zwei traurig- stumme Celli an der Wand. Dazwischen werkeln Fluxus-Fossile wie Ben Vautier oder an neuen Installationen grillt Ben Patterson auf dem Dach an einem überdimensionalen Drehspieß eine Citroen-Ente.

„Fluxus war nie tot. Es gibt bis heute viele Künstler, die sich in dieser Tradition sehen“, begründet die Galeristin Christel Schüppenhauer die Vehemenz, mit der sie sich für das Projekt einsetzt. Aus diesem Verständnis heraus erklärt sich auch, warum ein Künstler wie der Kölner Maler und Sänger Wolfgang Niedecken in der Ausstellung vertreten ist, obwohl der in der Fluxus-Hochzeit der Sechziger gerade das Internat besuchte und später kaum irgendeine Kunstrichtung ausließ. Auch die Schirmherrin der Ausstellung, Hedwig Neven-DuMont kann mit allem, kaum aber mit Fluxus in Verbindung gebracht werden.

Unterstützung durch die Stadt Köln bekam das private Projekt erwartungsgemäß nicht, obwohl zu den Gründungsmitgliedern des Fluxus-Vereins mit Dr. Evelyn Weiß immerhin die stellvertretende Leiterin des Museums Ludwig zählt: „Dort erachtet man das Thema und den Jahrestag wohl als unwichtig“, vermutet Christel Schüppenhauer. So kam das Angebot des Kaufhauskonzerns, sechs Ebenen seines fast fertigen neuen Parkhauses als PR- trächtiges „temporäres Museum“ zu bespielen, nur zu gelegen. In seiner 13. Etage gibt es während der Ausstellung neben Performances im Halogen-Metall-Restaurant „Virus- Relaisstation“ („Ein Fluxusprojekt zur körperlichen Regeneration“) zum teuren Wein auch Fluxus-Burger. Wer sie leise ißt, hört zwei Etagen tiefer Vautiers Elefanten trompeten — oder lachen?

Fluxus-Virus 1962-1992: Temporäres Museum Kaufhof-Parkhaus (Nord-Süd-Fahrt/Cäcilienstraße), Köln. Bis 27. September.

Aktionsforum Praterinsel, München, 19.11.-17.1.

Katalog: 400 Seiten mit zahlreichen s/w-Abbildungen. Deutsch/ englisch, Galerie Schüppenhauer, Köln. Paperback. In der Ausstellung 55, danach 70 Mark.