Jazz vom Streichquartett

■ Turtle Island String Quartett: „Wir nehmen unsere Musik so ernst wie andere Mozart“

Das Konzert des Turtle Island String Quartetts aus Kalifornien war das einzige Musikfest-Ereignis ohne vorher festgelegtes Programm: Die vier Streicher entscheiden das etwa eine Stunde vor dem Konzert. In der oberen Rathaushalle („The finest music-hall we'd ever played in“) begannen sie am Montag mit Chick Corea und schlossen mit Eric Clapton. Dazwischen lagen Anklänge an Swing und Bebop und Eigenkompositionen aus vielen Stilelementen, die eine erfrischende Lebendigkeit ausstrahlten. Darol Anger (Violine und Bariton-Violine), David Balakrishnan (Violine), Jeremy Cohen (Viola) und Mark Summer (Cello) überzeugten ihr begeistertes Publikum davon, daß das Streichquartett die ideale Besetzung für modernen Jazz ist. Die taz sprach vor dem Konzert mit den vier Musikern, die seit sieben Jahren zusammen spielen.

taz: Wie seid Ihr auf die Idee gekommen, Jazz im Streichqaurtett zu spielen?

David: Darol und ich haben früher schon in verschiedenen Bands mit Arrangements mit vier oder fünf Violinen und Rhythm-Section experimentiert.

Darol: Wir konnten aber nie einen Cellisten finden, der in der Lage war, bei uns mitzuspielen.

Mark: Ich spielte Cello in einem Sinfonieorchester und war nach drei Spielzeiten ausgepowert; ich hatte aber immer davon geträumt, improvisierte Musik zu machen. Die Reaktion auf unsere erstes Konzert war phänomenal.

David: Es bestand ein regelrechter Hunger unter den String-Spielern, auch Sachen neben der klassischen Musik zu spielen — und wir zeigten, daß das möglich ist.

Wenn ihr Standards spielt — wo bleibt denn da die Rythm-Section?

David: Mark kann wie ein Bassist Cello spielen. Darol hat aus der Bluegrass-Musik eine Technik entwickelt, einen Trommel- oder Rhythmusgitarrensound auf der Geige zu spielen. Vier können wie ein normales Streichquartett in vier Melodielinien spielen, oder mit der Rhythm-Section einer Jazzband.

Wie entstehen die eigenen Stücke?

David: Jeder von uns komponiert und arrangiert. Normalerweise macht einer die Vorarbeiten, dann bearbeitet jeder seinen Part, und wir entscheiden dann zusammen, wie wir das Ganze weiterentwickeln. Die Stücke entwickeln sich noch weiter, wenn wir sie öffentlich spielen.

Und Improvisationen?

Darol: Wir haben Stücke, die sind bis zur letzten Note auskomponiert. Dann gibt es welche, wo alle improvisieren, oder zwei zusammen oder nur einer...

Ihr spielt auf dem Bremer Musikfest als einzige Jazzformation. Wie geht es euch damit?

Jeremy: Wir nehmen unsere Musik so ernst, wie für andere Mozart oder Beethoven ist. Und darum spielen wir gerne in Konzertsälen, weil das Publikum da auch konzentriert zuhört. Wilfried Wiemer