Spagat zwischen Lust und Pflicht

■ „Markt und Meinungsmacht“: Ein Symposium im Hessischen Rundfunk

Zwei Branchentypen stehen sich auf dem Frankfurter Kommunikationsmarkt gegenüber. Auf der einen Seite versucht die in Mainhattan konzentrierte Werbebranche, (Produkt-)Informationen zu verkaufen. Und zwar so, daß sie im Idealfall so objektiv und zwingend erscheinen, als wären sie ein seriöser Beitrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Letzterer hingegen buhlt um Zuschauer und Hörer in einer zunehmend an die Werbung erinnernden Verpackung. Die Werbung hat damit keine Probleme. Im Gegenteil: Sie profitiert vom inhaltlichen Verfall des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Letzterer ist an den Rundfunk-Staatsvertrag gebunden und quält sich daher in einem schizophrenen Spagat zwischen Lust auf Quoten und Pflicht der Informationsvermittlung. Vor dem Hintergrund dieses Dauer-Dilemmas lud der Hessische Rundfunk zu einem Mini- Symposium ins Funkhaus: „Medien im Umbruch, Markt und Meinungsmacht — versäumte Lektionen“.

In ihrem Referat nahm Marie-Luise Hauch-Fleck, Wirtschaftsredakteurin der Zeit, die monopolistische Konzentration des privaten Rundfunks durch Bertelsmann und Springer aufs Korn. Ein „Steckbrief“ von Leo Kirch wurde verfaßt. So differenziert die Referentin die internen Verstrickungen des „TV-Monopolys“ zu durchleuchten verstand, so einfältig fiel leider ihre Stellungnahme zum Ergebnis dieser Entwicklung, den Programminhalten, aus: Es sei legitim, sich nach einem harten Arbeitstag „unterhalten“ zu lassen. Der eigentlichen Bewertung der „Unterhaltung“ des Zuschauers durch Liebesgrüße aus der Lederhose ging sie mit diplomatischer Schweigsamkeit aus dem Weg.

Colette Flesch, Generaldirektorin des Bereichs Medien/Wirtschaft der EG-Kommission in Brüssel, vertrat lediglich die Position des dualen Rundfunksystems, das eine Konkurrenz zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Sendern vorsieht. Nur in einigen Bemerkungen war für Eingeweihte herauszuhören, daß sie das duale System in Deutschland gegenüber der französischen oder der italienischen Variante rügte.

Solche Spitzen blieben bei der im Anschluß von Dr. Verena Metze- Mangold geleiteten Podiumsdiskussion weitgehend unbeachtet. Professor Bernd Lange, Wirtschaftswissenschaftler der Universität Osnabrück, verstieg sich zwar in interessante Befürchtungen bezüglich der Unterwanderung des Rundfunks durch technische Netzwerke, vermochte sie jedoch im Rahmen der Podiumsdiskussion nicht begrifflich zu bündeln.

Professor Langenbucher, Kommunikationswissenschaftler vom Institut für Publizistik der Universität Wien, versuchte, dem öffentlich- rechtlichen System den Rücken zu stärken. Er räumte ein, daß es ein Fehler gewesen sei, auf den Wettbewerb mit den Privaten überhaupt einzusteigen. Das werbefreie Programm sei in absehbarer Zukunft „der Hit“. Dieser Position schlug aus dem Plenum zynisch-populistischer Unbill entgegen: „Öffentlich-rechtlicher Rundfunk, woher komme ich, und wohin gehe ich?“

Insgesamt wurde vielfach analytisch geschludert. Daran lag es nicht zuletzt, daß der Versuch, medienpolitische Zusammenhänge transparent zu vermitteln, nicht so gelang, wie es angesichts der Brisanz des Themas wünschenswert gewesen wäre. Daß die Diskussion in den Studiokulissen der gefälligen HR- Talkshow „Holgers Waschsalon“ stattfand, gereichte dem Dialog mit dem Plenum nicht automatisch zum Vorteil. Die Diskutanten aus dem Publikum machten ihrem Unmut fast ausschließlich durch unqualifizierte Polemik Luft. Eine Selbstbesinnung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist zwar erfreulich. Doch fehlte es an konkreten und nachvollziehbaren Beispielen, will man vermeiden, daß die eingeladenen Nicht-Spezialisten zum Elfenbeinturm hinaufblicken müssen. Manfred Riepe