Kindersoldaten in Sarajevo

■ Am liebsten spielen sie „Bosnier jagt Cetnik“

Budapest (taz) — Die Schulen sind geschlossen. Die Kinder spielen Krieg. Am liebsten „Bosnier jagt Cetnik“. Kaum gibt es Jungen oder Mädchen in Sarajevo, die in den letzten Monaten nicht gelernt hätten, wie man ein Klappmesser oder eine Pistole bedient. Da gilt schon unter den Kleinsten: Je mehr Waffen jemand besitzt oder besorgen kann, desto höher ist sein Ansehen. Im Spiel ahmen sie nach, was in Propagandafilmen über den Bildschirm flimmert. Fünf bis Zehnjährige ziehen wie ihre Väter in den Kampf und besiegen die serbischen Freischärler.

Um der Kinderphantasie nicht allzu freien Lauf zu lassen, so die Begründung des Sarajevoer Verteidigungsrates, habe man die „Kindersoldaten“ ins Leben gerufen. Kinder und Jugendliche kehren zum Beispiel zerbrochene Fensterscheiben zusammen, sammeln Müll oder bringen alten und behinderten Menschen Trinkwasser und Brot.

Damit die Kinder ihre Arbeit auch als wichtig empfinden, haben sie eigene Ausweise und dürfen ein Messer im Gürtel tragen. Da der Krieg allgegenwärtig sei und man die Kinder davor nicht abschirmen könne, wolle man zumindest „das Schlimmste verhindern“. Mit dem Schlimmsten meint der Verteidigungsrat, daß sich Kinder im Spiel gegenseitig verletzen oder töten könnten. Denn auf die Frage eines Fernsehreporters, was sie derzeit am liebsten tun würden, antworteten kürzlich nicht wenige Kinder: „Einen Cetnik töten.“ Ein Mädchen meinte: „Ich habe meine Eltern verloren, ich wünsche mir daher nur eins, daß auch ein serbisches Mädchen seine Eltern verliert.“

Dennoch sind inzwischen viele Eltern gegen den Mißbrauch ihrer Kinder als „Hilfssheriffs“. Sie glauben zu wissen, daß die „Friedensdienste“ nicht nur aus Wassertragen und Müllbeseitigen bestehen. So gibt es Gerüchte, daß Minderjährige auch zu militärischen Hilfsdiensten an die vordersten Frontabschnitte geschickt werden, wo sie unter anderem Munition und Verpflegung organisieren. Dazu ein Junge vor laufenden Kameras im Zagreber Fernsehen: „Aber es macht doch Spaß, wie die Großen Cetniks zu töten.“ Roland Hofwiler