Blinde Kontrolleure entschieden im Zweifelsfall für den ungehinderten Export

■ Das Bundesamt für Wirtschaft, das genehmigungspflichtige Ausfuhren wie etwa Waffen absegnen muß, wurde von der Politik bis zum Golf-Krieg kontrollunfähig gehalten

Große Hürden mußte die bundesdeutsche Wirtschaft bei der Ausfuhr von Kriegsgerät nie überwinden. Als die Düsseldorfer Rheinmetall-Manager 1987 wegen der Lieferung von Kanonen nach Südamerika vor dem Kadi standen, da bescheinigten ihnen auch die Richter, daß die Bonner Politik ihnen immer den Rücken gestärkt habe. Tatsächlich hätten die Angeklagten den Eindruck gewinnen müssen, „daß die Kontrolle, wenn überhaupt, nur halbherzig und eben für die Wirtschaft erfolgte“.

In jenen Tagen saßen in der zuständigen Ausfuhrkontrollabteilung des Bundesamtes für Wirtschaft in Eschborn, die inzwischen auf 314 Personen angewachsen ist, gerade mal 70 Leute. Diesem Häuflein oblag die Überprüfung von jährlich 75.000 Ausfuhranträgen. Als Thyssen 1988 den Export der Turbopumpen für die „Petrochemie“ beantragte, gehörte für einzelne Bedienstete zum täglich Brot, über Dutzende von Anträgen pro Tag entscheiden zu müssen. Wie sie dabei vorzugehen hatten, ging aus den einschlägigen Kommentaren zum Außenwirtschaftsgesetz hervor: „Im Zweifelsfall“, so die juristische Interpretationshilfe, seien die Vorschriften „zugunsten des Freiheitsprinzips auszulegen“ — im Zweifel für den Export also.

Genehmigungspflichtig waren dabei nur jene Produkte, die auf der „Ausfuhrliste“ standen: Waffen, Atom- und Computertechnologie. Das gesamte Warenpaket wurde von der Bundesregierung nach der sogenannten Cocom-Liste zusammengestellt. Thyssens Raketen-Turbopumpen, „maßgleich nach dem sowjetischen Original gefertigt“, so ein Gutachter, fanden sich auf der Liste ebensowenig wie unzähliges weiteres Kriegsgerät. Vor allem die sogenannten „dual-use- goods“, also solche Waren, die sowohl im zivilen wie im militärischen Bereich einsetzbar sind, gingen mehr oder weniger ungehindert über die Grenzen. Es überrascht daher nicht, daß auch Thyssen für seine Pumpen umstandslos eine „Negativbescheinigung“ — die den Export ohne Genehmigung absegnete — erhielt.

Nach dem damals geltenden Außenwirtschaftsgesetz hätte es für die Ausfuhr der Pumpen nur dann eine Genehmigung bedurft, wenn sie für den militärischen Einsatzzweck „besonders konstruiert und nur für diesen verwendbar“ gewesen wären. Genau das trifft auf die Turbopumpen indes zu. Die von der Verteidigung im Prozeß zunächst behauptete Einsatzmöglichkeit im zivilen Bereich gibt es praktisch nicht. Das hat die Gutachterbefragung im Bochumer Prozeß zweifelsfrei ergeben. Kompetente Prüfer hätten das auch beim Bundesamt für Wirtschaft — trotz der unvollständigen und zum Teil falschen Antragsunterlagen — erkennen müssen.

Doch an diesem Aufklärungswillen fehlte es. Erst nachdem die britische Regierung wegen der Pumpen in Bonn mehrfach intervenierte, nahmen die Beamten das tödliche Geschäft näher unter die Lupe. Mit dem Ergebnis, daß die „Negativbescheinigung“ am 25. 6. 1990 zurückgenommen wurde. Dagegen legte Thyssen Widerspruch ein. Die Widerspruchsbegründung, die die Thyssen-Manager formulierten, aber nicht mehr abschickten, verrät einiges über den Geist und die kriminelle Energie des Hauses. Rotzfrech „verwahren“ sich die Verschleierungsexperten aus dem Hause Thyssen „gegen den Vorwurf, bei dem Antrag unvollständige Angaben gemacht zu haben“, und „behalten uns vor, Schadensersatzansprüche geltend zu machen“.