Politischer Spielball

■ Eine Lösung des Nordirlandkonflikts rückt wieder in weite Ferne

Politischer Spielball Eine Lösung des Nordirlandkonflikts rückt wieder in weite Ferne

Die Nachricht, daß die Mehrparteiengespräche über eine politische Lösung des Nordirland-Konflikts kurz vor dem Abbruch stehen, kommt nicht überraschend. Die beteiligten Politiker haben von Anfang an ihr politisches Süppchen gekocht, wobei es ihnen vor allem um Propagandaerfolge und den Erhalt der eigenen Macht ging. Das haben die jahrelangen „Gespräche über Gespräche“ gezeigt, die immer wieder in der Sackgasse endeten. Leidtragende sind die Menschen in den Ghettos, bei denen das ständige Geplapper vom „Durchbruch bei den Verhandlungen“ ungerechtfertigte Hoffnungen geweckt hat, während sie in Wirklichkeit von allen Beteiligten als politischer Spielball benutzt werden.

Wer — außer der kriegsmüden Ghettobevölkerung — hat überhaupt Interesse an einem erfolgreichen Abschluß der Gespräche? Die britische Regierung will sich aus ihrer historischen Verantwortung stehlen. Gelingt es ihr, den Schwarzen Peter für das Scheitern der Gespräche den nordirischen Parteien zuzuschieben, steht sie als „neutrale Friedenswacht“ glänzend da. Eine interne nordirische Lösung gibt es ohnehin nicht, denn zwischen den protestantischen Unionisten und den katholischen Sozialdemokraten der SDLP ist keine Annäherung möglich. Die Unionisten wollen ein nordirisches Regionalparlament unter ihrer Kontrolle — möglichst unter formeller Beteiligung der SDLP, um den Anschein der Demokratie zu wahren. Dann könnte man, wie bis zur Abschaffung des nordirischen Parlaments 1972, nach Herzenslust die katholische Minderheit diskriminieren.

Die SDLP hat daher an einer Machtbeteiligung nicht das geringste Interesse, auch wenn sie öffentlich das Gegenteil behauptet. Sie kann sich nicht an einer nordirischen Regierung beteiligen, will sie nicht ihre WählerInnen an Sinn Féin, den politischen Flügel der IRA, verlieren. Denn sitzt sie in einer unionistisch kontrollierten Regierung, muß sie auch die Verantwortung für deren Entscheidungen übernehmen. Zahlreiche politische Beobachter mutmaßen denn auch, daß es die SDLP war, die die „Geheimdokumente“ an die Presse lanciert hat, um die Gespräche zu sabotieren.

Die irische Regierung plagen ganz andere Sorgen: Sowenig man sich die Verantwortung für Nordirland aufhalsen will, so unsicher ist die Zustimmung der Bevölkerung bei einem Referendum über die Aufhebung des in der Verfassung festgeschriebenen Anspruchs auf Nordirland. Linke Politiker prophezeien, daß die katholische Minderheit Nordirlands bei einer Aufgabe des Anspruchs einen ähnlichen Status wie die Palästinenser auf der West-Bank hätten: Sie wären staatenlos und — wie die Palästinenser der israelischen Regierung — einer unionistisch kontrollierten Regierung auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Ralf Sotscheck