Nächstenliebe für AsylbewerberInnen

Feste und Fahrräder für Flüchtlinge in Mannheim-Schönau/ Neue Angriffe von rechts befürchtet  ■ Aus Mannheim Ulrich Dill

Die Absperrungen rund um das Asylbewerberheim Mannheim-Schönau sind verschwunden. Keine Aufmärsche Rechtsradikaler mehr, wie von Ende Mai bis Mitte Juni allabendlicher Horror. Auch die Autonomen haben sich anderen Schauplätzen zugewandt. Die Landessammelunterkunft für Asylbewerber wird seit neuestem vom Geist der Nächstenliebe geprägt.

Drei Pfarrämter haben einen „Flüchtlingskreis Mannheim Nord“ ins Leben gerufen, der die schlimmsten Mißstände in der Unterkunft lindern soll. Heimleiter Manfred Benz ist voll des Lobes für die ehrenamtlichen HelferInnen. Der „überzeugte Christ“ Werner Weihrauch beispielsweise richtete eine Fahrradwerkstatt ein. Dort möbelt er gemeinsam mit dem Sozialhilfeempfänger Andreas Hemgesberg gespendete alte Drahtesel auf und stellt sie den Bewohnern gegen ein geringes Pfand zu Verfügung. Für Hemgesberg hat die Geschichte den positiven Nebeneffekt, über den Paragraphen 19 Bundessozialhilfegesetz (Hilfe zur Arbeit) für fünf Stunden täglich fest angestellt zu sein.

Viola Meyer und Sigrid Pantel (Namen von der Redaktion geändert) haben eine Spielstube eingerichtet. An zwei Tagen in der Woche tollen hier bis zu 40 Kinder umher, legen Puzzles, lassen sich vorlesen. Die Betreuerinnen mißtrauen jedoch der Idylle. „Ich war sehr betroffen von der Randale am Himmelfahrtstag“, sagt Viola Meyer. Ihre beiden Kinder nehmen meist selbst an den Spielnachmittagen teil. Kinder von Deutschen und Ausländern können sich hier begegnen und spielend kennenlernen. Momentan sind über 80 Minderjährige im Asylbewerberheim, die mit ihren Eltern aus Bosnien- Herzegowina, Kroatien, Rumänien und Kurdistan gekommen sind. Obwohl nicht schulpflichtig dürfen sie vielleicht eine nahe Schule besuchen — vorausgesetzt, das Kultusministerium schafft die notwendigen Voraussetzungen. Sonderklassen sollen eingerichtet werden, da Sprachschwierigkeiten angeblich eine Eingliederung in „normale“ Klassen verhindern.

Im Hof des Asylbewerberheims finden sich eine Schaukel und ein Klettergerüst. Ein Geschenk des „Flüchtlingskreises“, der unter dem Slogan „Fremde brauchen Freunde“ um Verständnis und Spenden wirbt. Etliche derer, die noch im Mai gröhlend auf der Straße standen und „Asylanten raus“ schrien, spielen jetzt von Zeit zu Zeit Fußball gegen Asylbewerber-Teams. Diplom-Theologe Hermann Rütermann vom „Flüchtlingskreis“ sieht die Initiatiue als Anwalt der AsylbewerberInnen in allen Angelegenheiten. Daher habe der Kreis auch schon mit den örtlichen Politikern Meinungsverschiedenheiten gehabt. Rütermann sieht seine Arbeit bestätigt, eine Verbindung zwischen Deutschen und Asylbewerbern hergestellt: „Das Ghetto ist aufgebrochen“, glaubt er.

Auch der evangelische Pfarrer Matthias Schipke hat seinen Teil dazu beigetragen. Er ist mit seinen Religionsklassen in die Kaserne gekommen. Anschließend brachten die Kinder Spielsachen, Kleidung und Schuhe — solche Mengen, daß sich die VerwalterInnen der Kleiderkammer im Keller des Gebäudes kaum noch vor prall gefüllten Plastiksäcken retten können. In Kürze wird sich eine junge Ärztin, die früher in der Dritte-Welt-Hilfe vor Ort tätig war, in der Unterkunft für Asylbewerber niederlassen.

Anfang Oktober soll in Schönau der „Tag des Flüchtlings“ stattfinden. Etliche Veranstaltungen sind geplant, federführend ist wiederum der „Flüchtlingskreis“. Höhepunkt soll im Oktober ein „Fest der Begegnung“ werden, wofür das Stadtjugendamt ein Kinderfest plant und eine Musikfete am Abend steigt. Das ursprünglich anvisierte Datum 3. 10. wurde allerdings wieder fallen gelassen, wegen des „Tags der Deutschen Einheit“.

Heimleiter Benz hält jedoch wie die Kinderbetreuerinnen die Ruhe für trügerisch. Tatsächlich gibt ein Aufruf der rechtsradikalen NPD zu einer Demonstration an der Endhaltestelle Schönau am 12. 9. allen Grund zur Sorge. Unachtsamkeiten, fürchtet Benz, könnten erneut zur Eskalation der Gewalt führen. Der gleichen Meinung ist Viola Meyer, die Angst davor hat, daß Rechte aus der Region den Tag und das Fest benutzen könnten, vor der Unterkunft aufzumarschieren und Angst und Schrecken zu verbreiten.

Der „Flüchtlingskreis Mannheim-Nord“ hat ein Spendenkonto für die Arbeit mit den Asylbewerbern eingerichtet. Unter dem Kennwort „Kinderstube“ sind Einzahlungen auf das Konto Nr. 297267 bei der Stadtsparkasse Mannheim, BLZ 67050101, möglich.