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Atomgesetz: Töpfer schaltet Länder aus

Neues Atomgesetz wird unter Ausschluß der Bundesländer beraten/ Atomforum warnt SPD vor Veränderungen, die AKW-Neubau unmöglich machen/ Endlagerung wird Aufarbeitung gleichgestellt  ■ Aus Bonn Hans-Martin Tillack

Über das neue Atomgesetz dürfen die Bundesländer vorerst nicht mitberaten. Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) habe seinen Entwurf am Mittwoch ausschließlich den anderen Ressorts in Bonn zugeleitet, nicht aber den Ländern, kritisierte gestern die Staatssekretärin im hessischen Bundesministerium, Ulrike Riedel (Grüne). Dieses Verfahren sei völlig „unüblich“ und führe zu der Frage, ob Töpfer „auf die Ansicht der Länder keinen Wert legt“.

Einige Kernpunkte der Novelle, die Töpfer noch vor der Sommerpause 1993 durch den Bundestag bringen will, hatte der Minister bereits im Juli öffentlich vorgestellt. Danach sollen die Betreiber von Atomkraftwerken in einigen Punkten stärker in die Pflicht genommen werden, als nach dem bisher geltenden Atomgesetz aus dem Jahr 1956, das zuletzt 1976 überarbeitet wurde. Endlager für Atommüll sollen die Stromversorger selbst bauen und betreiben, nicht mehr der Staat. Fünf Jahre nach Inkrafttreten der Gesetzesnovelle soll diese Bestimmung greifen. Neu ist auch die Forderung an die AKW-Betreiber, die Kosten selbst zu tragen, wenn die Aufsichtsbehörden zusätzliche „sicherheitserhöhende Maßnahmen“ anordnen. Die bisher bei 500 Millionen Mark liegende Höchstgrenze der Deckungsvorsorge für mögliche Schadensersatzansprüche soll auf einen einstelligen Milliardenbetrag erhöht werden. Außerdem müssen die Betreiber finanzielle Vorsorge für den Fall treffen, daß ihr Kraftwerk vorzeitig stillgelegt wird.

Die Endlagerung von Atommüll wird in Töpfers Novelle erstmals der bislang favorisierten Wiederaufarbeitung gleichgestellt. Nach dem Aus für die Anlage in Wackersdorf steht den deutschen AKW-Betreibern zur Zeit ohnehin nur der Weg zu ausländischen Aufarbeitungsanlagen offen. Daneben wird in der Novelle eine periodische Sicherheitsüberprüfung in zehnjährigem Abstand gesetzlich festgeschrieben.

Neben dem Bundestag muß die Novelle auch den Bundesrat passieren, dessen SPD-Mehrheit einen Ausstieg aus der Atomkraft favorisiert.

Das Deutsche Atomforum, das AKW-Hersteller und Betreiber vertritt, warnte die SPD bereits gestern vor Änderungen des Gesetzesentwurfs, „die einen Neubau von Kernkraftwerken unerträglich erschweren“. Das rot-grün regierte Niedersachsen hatte im Juni als Alternative zu der Töpfer-Novelle ein „Atomausstiegsgesetz“ gefordert. Neben der Abschaltung bestehender Anlagen verlangten die Niedersachsen den Verzicht auf die Wiederaufarbeitung und wandten sich gegen die Privatisierung von Endlagern. Die Deckungsvorsorge für Schadensfälle müsse sich an Unfällen wie in Tschernobyl orientieren.

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