KOMMENTAR
: Keine Frage von Opportunität

■ Überwachungsstaat — kein Mittel im Kampf gegen Rechts

Die Ereignisse in Rostock haben die Republik verändert. Hat sich auch das Verhältnis der Linken zu dieser Gesellschaft verändert? Wann hat es das jemals gegeben, daß die Linke, zu deren Geschichte in Nachkriegsdeutschland immer auch die Schwierigkeit gehörte, sich zu diesem problematischen Vaterland zu bekennen, sich in der Verteidigung dieser Gesellschaft wiederfindet? Rostock hat es möglich gemacht, daß in der Linken neben die Scham über die Deutschen, die jene Pogrome bejubelten, auch die Identifikation mit dieser Gesellschaft trat — sprich, die Entschlossenheit, deren über Jahrzehnte gewachsene demokratische Substanz zu verteidigen. Die Bundesrepublik ist schließlich durch die Linke nachhaltig demokratisiert worden, hat erst durch die Linke zivile Bürgertugenden gelernt. Wenn die Linke nicht bereit ist, dies zu verteidigen, wer sonst?

Noch fällt dieser Perspektivenwechsel schwer. Eine Karikatur hat das treffend eingefangen: ein Achtundsechziger, der vor einigen Polizisten verlegen herumdruckst, Blumen in den Händen, um dann zu stammeln: »...daß ich also schon irgendwo froh bin, daß es euch gibt, ahemm«. Gewöhnt, die Bullen als Handlanger eines kapitalistischen Repressionsapparats zu sehen, ist nun anzuerkennen, welche höchst sinnvollen Aufgaben die Polizei zu leisten hat, gerade angesichts dieser Welle von rechtsradikaler Gewalt. Gleiches gilt für den Verfassungsschutz. Solange der VS nur die Linke ausspähte und auf dem rechten Auge blind war, war seine Auflösung leicht zu fordern. Wie überflüssig aber ist ein Verfassungsschutz, der die radikale Rechte ins Visier nimmt? Gerade in einer solchen Situation müssen klar die Grenzen formuliert werden, damit nicht von Links Freiheitsrechte ausgehöhlt werden und gegen Rechts der Überwachungsstaat geformt wird, dessen Opfer die Linke immer zu werden fürchtete. Die Linke, die diese Demokratie verteidigt, muß Mittel gegen die extreme Rechte finden, ohne die eigenen Ideale zu verraten. Gerd Nowakowski