TED-System statt Klospülung

■ Drei Tage Fachsimpeleien beim 1. Festival für Interaktive Medien in Köln

Es soll sie ja noch geben, jene Zeitgenossen, die sich genügsam an dem erfreuen, was irgendwelche Programm-Strategen eines Kanals ihnen vorsetzen. Schon das Zappen mittels Fernbedienung ist ihnen zuviel Streß. Menschen, die still genießen, wie sich andere für sie abstrampeln. Doch derartige Konsumenten alter Schule gehören einer aussterbenden Spezies an. Zumindest, wenn es nach den Vorstellungen jener Medien-Visionäre geht, die sich zur 1.InterAktiva in Köln eingefunden hatten.

Drei Tage lang wurde da über den künftigen Medien-Menschen fachgesimpelt. Oder doch zumindest über Technologien, die seine Entwicklung vom passiven Couch-Hänger zum „aktiven Mitgestalter“ ermöglichen sollen. Jener vielstrapazierte und nie erreichte „mündige Bürger“, der sich nicht mehr von vorgegebenen Programmangeboten auf seinem Bildschirm berieseln läßt, sondern an bestimmten Punkten per Knopfdruck eingreifen kann, um selbst zu bestimmen, wie der Spielfilm oder das Info-Prammpramm weitergehen soll. Die „neue Freiheit“ ist dabei natürlich nicht prinzipieller, sondern nur gradueller Art. Sie besteht lediglich in der Wahlmöglichkeit zwischen mehreren vorgegebenen Möglichkeiten. So ließen sich beispielsweise von einem Krimi künftig gleich mehrere Versionen drehen, wobei der Zuschauer an bestimmten Punkten per Knopfdruck entscheiden kann, wer nun wen umlegen soll.

Da sich so etwas beim Massenmedium Fernsehen allenfalls durch Mehrheitsentscheid per TED (bei „Wünsch dir was“ mußte man seinerzeit noch die Klospülung betätigen) bewerkstelligen ließe, wird das Ganze vorwiegend der individuellen Nutzung vorbehalten bleiben.

Und dabei dürfte die bild- und tontaugliche CD als Informationsträger die entscheidende Rolle spielen. Eine Entwicklung, in die große Verlage in der Angst vor der aussterbenden Spezies „Leser“ bereits heute kräftig investieren. Bei Bertelsmann denkt man an digitale Lexika, die beispielsweise unter dem Stichwort „Nachtigall“ das Tierchen gleich in bewegtem Bild und mit Gesang vorstellen könnten, und selbst der Spiegel sinniert über eine CD-Ausgabe des Blattes. Wie das aussehen könnte, steht derzeit allerdings noch völlig in den Sternen, wie die InterAktiva überhaupt deutlich machte, daß zwar von der Technologie her bereits vieles machbar wäre, aber hinsichtlich der „Inhalte“ und kreativen Anwendungen eher großes Rätselraten vorherrscht. So wird für den Fernsehzuschauer trotz ambitionierter Projekte wie „Piazza Virtuale“ der per Fernbedienung individuell gemixte Bildsalat auf absehbare Zeit wohl die höchste Form der Interaktivität bleiben. Bei ARD und ZDF ist an eine Fortsetzung des Konzeptes wie beim Umschalt-Krimi „Mörderische Entscheidung“ jedenfalls vorerst nicht gedacht.Reinhard Lüke