Kurdenführer in Berlin ermordet

Vierfacher Mord in einer Gaststätte/ Unbekannte Täter töteten Chef einer iranisch-kurdischen Partei wie bei einem „Hinrichtungskommando“/ Bundesanwaltschaft vermutet politische Hintergründe  ■ Aus Berlin Ralf Knüfer

Vier Politiker der Demokratischen Kurdischen Partei im Iran (PDKI) sind bei einem Mordanschlag in der Nacht zum Freitag in einem Berliner Lokal getötet worden. Der Gastwirt des Lokals wurde schwer verletzt, befindet sich aber nicht mehr in Lebensgefahr. Die Karlsruher Bundesanwaltschaft hat inzwischen die Ermittlungen übernommen.

Gegen 23 Uhr betraten in der Nacht zum Freitag zwei Männer das Restaurant „Mykonos“ in Berlin- Wilmersdorf, während ein weiterer vor der Tür Wache stand. Einer der maskierten Attentäter eröffnete mit einer Maschinenpistole das Feuer auf die Kurden, der andere soll mit einer Faustfeuerwaffe die Anwesenden in Schach gehalten haben. Ein Augenzeuge berichtete, daß der Generalsekretär der PDKI, Sadik Serefkendi, hingerichtet worden sei. „Um hundertprozentig sicher zu sein, daß er wirklich tot ist“, sagte der Augenzeuge, wären nach mehreren Gewehrsalven zwei oder drei gezielte Schüsse auf den bereits schwer verletzten Politiker abgegeben worden. Er vermutete, daß die iranische Regierung hinter diesem Attentat steckt.

Der Pressesprecher der Bundesanwaltschaft, Hans-Jürgen Förster, erklärte gestern, viel spreche für einen „politisch motivierten Anschlag“: Zum einen der „modus operandi der Täter“, zum anderen handele es sich bei den Opfern um Angehörige der iranischen Opposition. Deswegen habe die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen übernommen. Förster geht davon aus, daß es sich bei den Tätern um Iraner handelt. Nicht auszuschließen sei, daß die Morde von der Kommunistischen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) verübt worden seien, die mit der PDKI konkurriert und in der Vergangenheit nicht vor politischen Morden zurückschreckte. Der Leiter des Berliner Staatsschutzes, Diether Piete, sagte, der Aufenthaltsort der Delegation sei nicht bekannt gewesen. Deswegen habe es keine Möglichkeiten zum Personenschutz gegeben. Als ersten Fahndungsanhaltspunkt präsentierte er zwei Phantombilder, die auf Zeugenaussagen beruhen.

Die Ermittlungen werden im Auftrag der Bundesanwaltschaft vom Bundeskriminalamt (BKA) geführt. Das BKA hat eine 20köpfige Sonderkommission gebildet, die mit einem Hubschrauber am Nachmittag von Wiesbaden nach Berlin gebracht wurde. Vor Ort soll sie den Vorfall untersuchen.

Die Opfer befanden sich anläßlich des Kongresses der Sozialistischen Internationale in Berlin, der am Donnerstag zu Ende ging. Nach Angaben der Polizei sind unter den Ermordeten der Generalsekretär der PDKI, der 55jährige Sadik Serefkendi, der Nachfolger des 1989 in Wien erschossenen Abderrahman Ghassemlou war. Aus zuverlässigen Bonner Kreisen verlautete gestern, daß auch der Koordinator der Partei für Europa, Fatah Abduli, bei dem Anschlag ermordet wurde. Die PDKI strebt die Unabhängigkeit Kurdistans vom Iran an.

Nach dem Attentat in Wien wurde die iranische Regierung verdächtigt, für den Mord verantwortlich zu sein. Die Ermittlungen der Wiener Behörden konnten damals nicht verhindern, daß die Täter außer Landes fliehen konnten.

Der SPD-Vorsitzende Björn Engholm hat den Mord verurteilt. Serefkendi sei eine herausragende Persönlichkeit des kurdischen Selbstbehauptungswillens im Iran gewesen.