Der Cowboyhut muß mit ins Ziel

■ Drei Tage Country-Musik: WM der WesternreiterInnen in der Stadthalle

Im fliegenden Galopp prescht ein Quarter Horse in die Arena; obenauf eine Reiterin mit Cowboyhut und Westernstiefeln. Im rasanten Tempo umrunden die beiden Tonnen, enger als ein Slalom-Skifahrer winden sie sich durch den Parcours. Zehn Minuten später: Am langen Zügel trotten Pferd und Reiter in den Trail-Hindernisparcours. Doch nicht etwa blumengeschmückte Sprunghindernisse mit schwindelerregender Höhe stellen sich ihnen entgegen — in aller Seelenruhe durchqueren sie ein Tor, poltern über eine Holzbrücke, überwinden einen schmalen Pfad im Rückwärtsgang. Wieder zehn Minuten später: Eine komplette Rinderherde tummelt sich im Ring. Eine Reiterin sondert mit ihrem Pferd ein Rind ab und versucht es daran zu hindern, wieder zu seinen Artgenossen zu laufen. Wie Basketballspieler belauern sich die Vierbeiner, links antäuschen, rechts vorbei — ätsch, das Pferd war vorher da.

Drei Tage lang Team-Weltmeisterschaft der WesternreiterInnen in der Stadthalle: 175 Western-Pferde und 80 ReiterInnen aus 13 Nationen ritten am letzten Wochenende in acht Disziplinen um 180.000 Mark Preisgeld — und kaum jemand sah zu. Doch die, die kamen, waren es schon wert, zweimal hinzusehen: Jede Menge Cowboyhüte tummelten sich im Foyer bei Fisch, Sekt und Würstchen, Westernstiefel erlebten eine ungeahnte Renaissance, und wo die Sponsorengattinnen die neckischen Kleidchen der Mode um 1890 herhatten, wird wohl ein Rätsel bleiben. Womit auf den Rängen die Verbundenheit zu diesem ungewöhnlichen Sport demonstriert wurde, ist für die Aktiven vorgeschrieben: Hemd statt Reitfrack, Cowboyhut statt schwarzer Kappe oder Zylinder, Jeans und Chaps statt weißer Reithose. Zwei Stellwände mit ein paar gemalten Kakteen und den Rockys im blutroten Sonnenuntergang — fertig war die Western- Atmosphäre in der Stadthalle . Und-ganz, ganz wichtig: die ganze Zeit dudelte Country-Musik im Hintergrund.

Währenddessen wurde in der Arena hochklassiger Reitsport demonstriert, zwei Profi-Richter flogen extra aus den USA ein. Das Problem: trotz einiger spektakulärer Western-Disziplinen ist es dem Nicht-Pferdemenschen schwer zugänglich, was daran nun so toll sein soll, wenn ein Pferd über Brücken und durch Tore latscht, sich von dröhnenden Treckern unbeeindruckt zeigt und am langen Zügel auf den kleinsten versteckten Wink der Reiterin reagiert.

Früher rümpften die klassischen Reiter beim Anblick der wildgewordenen Cowboys die Nase. Heute wird Einigkeit demonstriert. Und das Reglement ist mindestens so streng wie bei der klassischen Reiterei.

Das bekam zum Beispiel der Deutsche Hartmut Keuchel zu spüren: Beim „Pole Bending“, dem Stangen-Slalomrennen, legte er die schnellste Zeit hin — doch auf den letzten Metern verlor er seinen Hut. Prompt bekam er fünf Strafsekunden — denn nicht nur Pferd und Reiter, auch dessen Kopfbedeckung muß die Ziellinie überqueren.

In den USA werden schon lange Milliardenumsätze im Western-Turniersport und der Zucht gemacht. Nun geht das Westernreiten auch hierzulande den Weg alles Irdischen: es wird vermarktet. Und Bremen will dabei sein: die Team-Weltmeisterschaft soll zur festen Einrichtung, 1993 auch die Europameisterschaft nach Bremen geholt werden. Einige haben den Trend hierzulande schon entdeckt — in der BesitzerInnenliste der hochgezüchteten Quarter Horses standen auch Namen wie Beate Uhse und Volker Brüggemann. Susanne Kaiser