Miserable Stimmung bei der Berliner CDU

■ Auf dem CDU-Landesparteitag herrschte Stimmungstief/ Trotz Kritik ist Diepgen als Vorsitzender unangefochten/ Reformvorschläge abgelehnt

Berlin. Das Ergebnis der Bezirkswahlen vom 24. Mai hat die Berliner CDU ins Mark getroffen. Eine Wählerzahl von lediglich 14 Prozent in den Ostbezirken hat die Frage nach ihrem Selbstverständnis als Volkspartei, als Partei, deren erster Daseinszweck das Regieren ist, aufgeworfen. Der Sonderparteitag am Samstag sollte auf diese Frage eine Antwort finden. Zustandegekommen war er auf Druck von Teilen der Basis, die, in einer Art Torschlußpanik, nach den Wahlen Diepgens Kopf als Parteivorsitzender forderten.

Der Landesvorsitzende der CDU, Eberhard Diepgen, thematisierte in seiner Eröffnungsrede mit keinem Wort die miserable Stimmungslage der Partei. Ganz Regierender Bürgermeister, nutzte er den Parteitag zur Darstellung der Arbeit des »unter christdemokratischer Führung« stehenden Senats an der »schärfsten Schnittstelle zwischen Ost und West«. Lob für Senatoren der CDU, denen er aus Kenntnis der »knallharten Tagesarbeit« bescheinigte: »Die machen ihre Sache gut.« Lob auch für Klaus Landowsky und die von ihm geführte Fraktion. Schließlich die prophylaktische Abkanzelung der Kritiker, zu »Kleinmut« sei keine Veranlassung.

Die meldeten sich trotzdem mit heftigen Worten. Der Abgeordnete Ekkehard Wruck empfahl seiner Partei mehr eigenes Profil in der Regierung, SPD und CDU wären doch »dieselbe Sauce«. Das Profil wollte er entwickelt wissen bei der Auseinandersetzung um sozialistische Straßennamen und der Änderung des Asylrechts. Der Abgeordnete Jürgen Adler verortete seine Partei »auf der Verliererstraße«, sie habe bei ihrer Erneuerung versagt und bilde nach wie vor eine »geschlossene Gesellschaft«. Über die Wirkung seiner Rede und den Zweck des Parteitages machte er sich allerdings keine falschen Hoffnungen. Die Basis wolle gestreichelt werden, und die Karawane ziehe weiter. Es blieb im weiteren Ablauf Landowsky und dem stellvertretenden Landesvorsitzenden aus Ost-Berlin Fritz Niedergesäß überlassen, den Unmut zu kanalisieren. Landowsky kaprizierte sich auf die SPD-Führungskrise, Niedergesäß auf die notwendigen Veränderungen im Osten. Der Stimmung der 65 von dort kommenden Delegierten entsprach Diepgen noch am ehesten mit seiner Kritik an »Wessi«-Positionen, bei ihnen stießen die Ausführungen der Opponenten Wruck und Adler auf Unverständnis. Auf die Seelenlage der Ostdelegierten zielte auch eine Podiumsdiskussion, die sich der Situation der Union in den neuen Bundesländern widmete.

Was an Erneuerungen der Partei thematisiert wurde, kam zum überwiegenden Teil aus dem Westen. Mehr Beteiligung der Basis, Urabstimmung bei der Wahl des Landesvorsitzenden und der Kreisvorsitzenden, Öffnung der Landesliste für Seiteneinsteiger und Rotation nach achtjähriger Funktionärstätigkeit. Diese Forderungen wurden unter dem Titel »Auftrag zur Erneuerung« auf dem Parteitag von einer Gruppe von Parteireformern um den Generalsekretär Karl-Joachim Kierey eingebracht. Doch die Erneuerung blieb im Ansatz stecken, der Antrag stieß auf den massiven Widerstand und Spott des Westberliner Parteiestablishments. Wohlwollende Aufnahme fanden die Ideen hingegen bei den meisten Rednern aus den Ostbezirken. Diepgen bezog keine Position in der Debatte, die die Partei in den nächsten Monaten, wenn nicht verändern, so doch zumindest beschäftigen wird. Dieter Rulff