Dann eben die kleine Nachtmusik!

■ Klaus Bernbacher, Wellenchef von „Radio Bremen 3 klassik“, zu Programmreform, Rundfunk-Mitschnitten, Kosten und Wünschen

Klaus Bernbacher

Seit der großen Programmreform Anfang September hat Radio Bremen Hörfunk eine Klassik-Welle im 3. Programm. Als „Wellenchef“ verantwortlich für das Profil des Programms verantwortlich ist Klaus Bernbacher, Hauptabteilungsleiter für E-Musik.

taz: Sie sind der Chef der neuen Klassik-Welle...

Klaus Bernbacher: ... Das ist die erste öffentlich-rechtliche Klassik-Welle in Nord- und Nordwestdeutschland, die zweite bundesweit, nach Bayern 4. Wir haben 80 Stunden Programm pro Woche aus dem 2. ins 3. Programm verlegt und noch 50 Stunden dazugemacht: 120 Stunden klassische Musik pro Woche!

Wie werden die aufgerissenen Lücken im 2. gefüllt?

Das ist ja hauptsächlich eine Wortwelle; die Haupt-Musikfarbe ist jetzt Jazz. Und es gibt auch Durchschaltungen von 3 nach 2, hauptsächlich abends, da senden wir auf beiden Wellen im

Mann mit

weißem Bart

Moment noch im Wechsel Jazz- und E-Musik. Letztlich soll es dann auf 2 nur noch wenig klassische Musik geben.

Viele HörerInnen stellt das vor große Probleme: Wer E-Musik hören und wissen will, was kultur- und gesellschaftspolitisch los ist, müßte dauernd wechseln zwischen 2 und 3. Und die Jazz- und Pop-Fans werden zwischendurch auf 2 unregelmäßig mit Mozart und Bach vergrault.

Auf 3 gibt es ja auch Wort: Wir haben Nachrichten. Und die geplaten 10 Minuten Politik, morgens nach 7, im 3., kommen so schnell wie möglich. Von 12.05 bis 13.00 Uhr habe ich Politik mit hineingenommen und das alte Mittagskonzert um eine Stunde gekürzt. Wir befassen uns auch verstärkt mit den musikalischen Aktivitäten der Region: Radio Bremen ist ja dauernd unterwegs, um eine Bremensie aufzunehmen, das ist ja unsere Aufgabe.

Diese 3-Minuten-Turbo-Nach

richten sind ja keine politische Information, sondern nur Überschriften. Das stößt doch das eher bildungsbürgerliche Publikum von 2 und 3 vor den Kopf.

Ich würde mir 5 Minuten Nachrichten wünschen, aber das ist nicht mein Verantwortungsbereich. Die politischen Sendungen sind schon eine enorme Leistung unseres kleinen Hauses.

Drei Wochen Reform sind überstanden — sind Sie zufrieden?

Keine großen Überraschungen. Was sich noch einspielen muß, sind die Abläufe, die Übergänge zu den einzelnen Sendungen, die Durchschaltungen zwischen den Programmen, alles soll ja fließen, ohne Löcher. Wir haben jetzt das schöne Pausenzeichen aus der h-Moll-Messe, als Wellenkennung... Ja, und wir sollten die Hörer der 3. Welle nicht abkoppeln vom Weltgeschehen.

Wenn Sie die Aktivitäten der Region verstärkt berücksichtigen wollen, warum ist das vielerwartete Musikfest-Konzert der Deutschen Kammerphilharmonie nicht mitgeschnitten worden von Radio Bremen?

Weil es viel zu spät angeboten worden ist...

... Der Sender könnte ja auch seinerseits Interesse anmelden.

Das ist auch eine Kostenfrage!

Ja: Man muß sich entscheiden. Für Bremen war das ja das Einstandskonzert seines neuen Orchesters — dazu mit dem ungewöhnlichen Programmm Neuer amerikanischer Musik: ein besonderes Ereignis, musikalisch und bremisch.

Wir haben aber die Eröffnung mit der Academy of St. Martin in the Fields auf dem Domshof live gemacht, sogar mit Fernsehen.

Dabei wäre die Kammerphilharmonie billiger zu haben gewesen als Kurt Masurs Gewandhausorchester, das Sie interessiert hat; die wollten für den Mitschnitt aber 25.00 Mark.

Das haben wir deshalb auch nicht gemacht. Als rauskam, daß das Gewandhausorchester kommen würde, hab ich zu Prof. Albert gesagt, also 11.000 Mark will ich dafür ausgeben, soviel wie letztes Jahr für das Konzertgebouw-Orchester — obwohl wir das Gewandhausorchester zu DDR-Zeiten in derselben Besetzung für 5.000 Mark gekriegt haben. Aber 25.000 Mark stehen nicht zur Verfügung! Bei dem englischen Orchester kommen natürlich auch die hohen Gewerkschaftsforderungen dazu, da müssen sich die Veranstalter noch mit den Unions herumschlagen.

Wie hat Ihnen die neuen Kammerphilharmonie Bremen gefallen?

Ich bin nicht in dem Konzert gewesen, ich kenne die Kammerphilharmonie seit Jahren, für mich ist das ein gelesenes Buch. Wir haben die ja auch durch CD's immer im Programm. Und es ging doch nie um oder gegen deren künstlerische Leistung! Wenn ich mich — als Landesmusikrat! — zu ihrer Ansiedlung geäußert habe, dann weil ich doch wußte, daß sie etaisiert werden wollen. Das ist auch ganz legitim. Aber wissen die Bremer, was auf sie zukommt? Wegen vier, fünf schönen Konzerten muß man die ja nicht einkaufen.

Nochmal zur Klassikwelle im 3. Zwischen Mozart und Vivaldi hört man da überrascht: „Nichts läuft ohne Reifen Emigholz...“

Wir haben die Werbe-Wiederholung drin, ja. Auf dem 3. war das bisher immer so, und das ist bei sinkenden Zahlen auch ökonomisch nicht anders möglich. Diese Werbung war bisher verstreut. Jetzt gibt es Werbung an Wochentagen, nur bis 15 Uhr, 3 Minuten vor einer Stunde.

Wollen Sie oder müssen Sie Glückwünsche und Wunschkonzert im 3. bringen?

Das ist eine typische Serviceleistung für die Hörer des 3., die ja zunächst mehr Unterhaltungsmusik geschätzt haben. Da muß ich Kompromisse eingehen. Das sind die ältesten Formen der Radiosendung, seit den 20er Jahren. Da kann Volksmusik rein, Chormusik, auch Blasmusik, Operette. Nur die Schnulze wollen wir raushaben. Neulich rief eine ältere Hörerin an, die hatte sich eine Schnulze gewünscht, und die Kollegin sagte am Telefon: „Wir sind jetzt eine Klassik-Welle.“ — „Ach so, sagt sie, „dann geben Sie mir die kleine Nachtmusik!“

Das 3. will eine breitere Hörerschaft für Klassik gewinnen. Also Chopin, Vivaldi, Mozart?

Das 2. und 3. sind Minderheitenprogramme, und wir haben die Aufgabe, sie auch zu bedienen. Für die Neue Musik kann man die Zeiten ja vernünftig verteilen.

Also Cage am Abend, Mozart tagsüber.

Ja. Abends 'aus dem Konzertsaal', da hören Sie natürlich auch die beliebten Festivals.

Auf 3 werden vielfach nur Platten aufgelegt. Paßt die höchst traditionelle, manchmal zum Einschlafen langsame Ansage zu dem Konzept, mehr Hörer als bisjer zu gewinnen? „Adagio, Presto...“, dieses ganz Getragene...

Wo es um An- und Absagen geht, trifft das sicher zu, die wollen wir auch nicht verändern. Moderation gibt es ja in anderen Sendungen, z. B. al fresco. Nachrichten haben auch immer denselben trockenen Ton! Und auf der 3. Welle wollen wir auch eine gewisse Ruhe haben im schnellen hektischen Tempo unserer Zeit. Fragen: Susanne Paas