Schwarze Schafe in anständiger Familie

Das Deutschenbild der SpanierInnen wird durch die Gewaltwelle nicht erschüttert  ■ Aus Madrid Antje Bauer

Ich verstehe jetzt, was mit den Deutschen los ist“, versichert der spanische Künstler Antonino Nieto seit kurzem jedem, der es hören will. „In Berlin, wo früher die Folterkeller der Nazis waren, haben sie alles dem Erdboden gleichgemacht, um nicht an ihre Greueltaten erinnert zu werden. Aber in Dresden erinnern immer noch Trümmergrundstücke bewußt an die Bombardierung durch fremde Truppen — so, als hätten die Deutschen daran keine Schuld getragen.“ Diese Entdeckung während seines jüngsten Besuchs hat bei Nieto die Überzeugung geweckt, daß Deutschland nicht nur seine Geschichte nicht aufgearbeitet hat, sondern im Prinzip so barbarisch ist wie vor 50 Jahren. Die Angriffe auf Asylbewerber und die ausbleibende Empörung darüber bestätigen ihm dies täglich aufs neue.

Interessierte Zuhörer findet Antonino immer, denn die meisten seiner Freunde haben bislang keine dezidierte Meinung zu „den Deutschen“. Die Rentner, die an den spanischen Küsten ihren Lebensabend verbringen, gelten als etwas pingelig, fallen jedoch ansonsten nicht weiter auf. Im übrigen weiß man von Deutschland nur, daß es dort sehr sauber ist, dort viel gearbeitet wird und alles viel besser funktioniert als hier. In den Berichten der spanischen Medien über die Ausschreitungen gegen Ausländer in der BRD liegt denn auch keine allgemeine Ablehnung oder Häme. Wo kein negatives Vorurteil besteht, kann auch keins wachgerufen werden. Die Neonazis werden wie schwarze Schafe dargestellt, die sich in einer sonst grundanständigen Familie danebenbenehmen.

„Bedauerlicherweise sind die Bilder von Rostock um die ganze Welt gewandert“, klagte Außenminister Kinkel in einem Interview mit El País. „Er sollte lieber bedauern, was dort passiert ist!“ empört sich Antonino Nieto. Der Interviewer von El País sah das anders: Er fragte wohlerzogen nach den Problemen mit den vielen Flüchtlingen. Man weiß ja: Probleme mit Ausländern gibt es überall. Auch in Spanien, wo es prozentual verschwindend wenige sind, tut man sich mit ihnen schwer. Da wirft dann niemand den ersten Stein.