Georgiens Militär will keine Wahlen

Schewardnadse droht mit Rücktritt/ Waffenstillstandsvereinbarungen in Abchasien nicht erfüllt  ■ Aus Moskau K.-H.Donath

„Wenn wir nicht mit Institutionen arbeiten, die aus allgemeinen Wahlen hervorgegangen sind, nehme ich die Verantwortung auf mich und erkläre, ich werde nicht dabei behilflich sein, daß in diesem Land das Chaos beginnt oder sich eine Militärdiktatur erhebt“, sagte der Vorsitzende des georgischen Staatsrates Eduard Schewardnadse am Montag in Tbilissi.

Schewardnadse warf seine ganze Autorität in die Waagschale, damit die für den 11.Oktober geplanten Wahlen in Georgien auch tatsächlich stattfinden. Sollte das krisengeschüttelte Land nicht wählen, wird sich der ehemalige sowjetische Außenminister aus der Politik Georgiens verabschieden. Das wäre ein harter Rückschlag für die Kaukasusrepublik, die es nur kraft Schewardnadses Autorität in den letzten Monaten zu internationaler Anerkennung gebracht hat.

Der provisorische georgische „Staatsrat“ besitzt keinerlei verfassungsrechtliche Legitimation. Er wurde nach der Flucht des ehemaligen Präsidenten Gamsachurdia als Übergangsgremium eingerichtet. Entscheidende Reformen, die das Land vor dem wirtschaftlichen Aus retten könnten, darf er ohne Legislative nicht in Angriff nehmen. Die größten politischen Parteien plädieren nach wie vor dafür, Wahlen im Oktober abzuhalten. Schewardnadses Äußerung deutet eher darauf hin, bestimmte Militärkreise könnten ein Interesse an anhaltender Instabilität haben. Ob die Wahlen stattfinden, hängt nicht zuletzt von den Entwicklungen in Abchasien ab.

Trotz der Waffenstillstandsvereinbarung gehen die kriegerischen Auseinandersetzungen weiter. Schewardnadse warf der trilateralen Kommission aus Russen, Abchasen und Georgiern, die die Einhaltung der Vereinbarung überwachen soll, Inkompetenz vor. Beide Seiten haben bisher die Einstiegsbedingungen der Moskauer Vereinbarung nicht erfüllt. Georgien zog sein schweres Militärgerät nicht ab. Abchasien schickte die — nach georgischen Angaben 1.500 — Freischärler, die aus dem Nordkaukasus zur Unterstützung des moslemischen Abchasien angerückt waren, nicht in ihre Heimat zurück. Am 25.September läuft das georgische Ultimatum ab, das den Rückzug der Freischärler verlangt. Andernfalls, so der für seine eiserne Hand bekannte georgische Verteidigungsminister Tengis Kitovani, werde er die Frage militärisch lösen. Das hätte einen Flächenbrand zur Folge. Denn mittlerweile scheinen sich die Nordkaukasier von ihrer abchasischen Führung gelöst zu haben und auf „eigene Rechnung“ zu kämpfen. Fünfzig LKWs mit Diebesgut sollen bereitstehen, um in den Nordkaukasus gebracht zu werden. Beute, die einmal Georgiern und Abchasen gehörte.