(Noch) keine Mehrheiten für Seiters' Asylfahrplan

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(Noch) keine Mehrheiten für Seiters' Asylfahrplan Offiziell beharrt Bundesasylminister Seiters und mit ihm die Unionsfraktion auf eine Bundestagsdebatte über eine Grundgesetzänderung. Bislang jedoch stößt er auf Widerstand des Koalitionspartners FDP. Die SPD, trotz innerparteilicher Differenzen zu einer Artikel-16-Änderung bereit, weiß zumindest die Basis im alten Kohlerevier hinter sich.

Bundesinnenminister Rudolf Seiters (CDU) hat sich mit seinem Gesetzentwurf zur Änderung des Asylrechts innerhalb der Koalition im ersten Anlauf nicht durchsetzen können. Der Innenminister bereitet deshalb einen Entschließungsantrag vor, über den anstatt eines Gesetzentwurfs am Dienstag in der CDU/ CSU-Fraktion abgestimmt werden soll. Offenbar ist auch die FDP bereit, einem solchen Entschließungsantrag zuzustimmen. Der Antrag, in dem die Regierungsziele für ein neues Asylrecht skizziert werden, könnte im Oktober auch im Bundestag zur Abstimmung gestellt werden.

Offiziell beharrt die Unionsfraktion bisher darauf, bereits im Oktober im Plenum über eine Grundgesetzänderung votieren zu lassen. Dieser Plan war beim Koalitionspartner FDP auf harten Widerstand gestoßen. Auch die SPD, die trotz innerparteilicher Differenzen grundsätzlich zu einer Verfassungsänderung bereit ist, will erst nach ihrem Sonderparteitag Mitte November im Bundestag darüber beraten. Der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Heiner Geißler hat sich unterdessen für die Beibehaltung des individuellen Grundrechts auf Asyl ausgesprochen.

Das Asylthema war am Dienstag bei der Koalitionsrunde wider Erwarten ausgeklammert worden. Heute beschäftigt sich der Bundestagsinnenausschuß mit dem Thema. Unter Leitung des Kanzlers fand im Anschluß an das Koalitionsgespräch aber ein Treffen statt, bei dem über Verfahren und Inhalt debattiert wurde. Daran nahmen der FDP- Fraktionschef Hermann Otto Solms, der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Schäuble, der Chef der CSU-Landesgruppe Wolfgang Bötsch und Kanzleramtsminister Friedrich Bohl teil. Ohne eine Zustimmung des liberalen Koalitionspartners, der auf seinem Parteitag Anfang Oktober in Bremen mit einem Leitantrag zur Ausländer- und Asylpolitik Stellung nehmen will, hätte die Union auch keine Mehrheit im Bundestagsinnenausschuß. In der Asyldebatte treiben CDU/CSU und Teile der FDP die SPD damit weiter vor sich her.

Koalition immer einen Schritt voraus

Als der SPD-Vorstand in Bad Salzuflen seine Asyl-Beschlüsse faßte, die eine Änderung des Artikels 16 einbeziehen, bastelten Innen- und RechtspolitikerInnen der CDU/CSU bereits an der Abschaffung des individuellen Grundrechts auf Asyl. Schon fällt es schwer, sich daran zu erinnern, daß noch Anfang September ein entsprechender Vorschlag des Vorsitzenden des Bundestagsrechtsausschusses Horst Eylmann (CDU) vom Bundesvorstand seiner Partei zurückgewiesen worden war. Eylmann wollte das individuelle Recht auf Asyl durch eine „grundgesetzlich garantierte Institution“ ersetzen; zwei Wochen später ist seine Position in der Union Konsens.

Anfang letzter Woche erklärte CDU-Generalsekretär Hintze, der Satz: „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“ solle nicht länger durch gesetzliche Ergänzungen eingeschränkt, sondern ganz gestrichen werden. Statt dessen solle die Genfer Flüchtlingskonvention als Grundlage zur Gewährung von Asyl herangezogen werden. Nach dem Unions- Vorschlag sollte der neue Grundgesetztext so lauten: „Das Asylrecht wird gewährleistet. Inhalt und Schranken werden unter Berücksichtigung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge durch Gesetz geregelt. Der Bund kann sich zwischenstaatlichen Vereinbarungen über ein harmonisiertes Asylrecht und eine internationale Zusammenarbeit in Flüchtlingsangelegenheiten anschließen.“

Die nunmehr von der CDU/CSU betriebene Abschaffung des Asyl- Grundrechts bot der SPD Anlaß für neue innerparteiliche Zerwürfnisse. Der Parteivorsitzende Björn Engholm und eine Mehrheit im Vorstand wollen das Grundrecht auf Asyl einschränken. Gerhard Schröder, eine Minderheit im SPD-Vorstand sowie der hessische und der Bremer SPD- Landesverband wollen gar keiner Veränderung des Artikels 16 zustimmen.

Die Basis ist gespalten. Der Quertreiber und stellvertretende SPD- Vorsitzende Oskar Lafontaine hingegen findet die neuesten CDU- Vorschläge gut. Flüchtlinge aus Ländern, in denen es keine politische Verfolgung gebe, so Lafontaine, hätten auch keinen Anspruch auf eine individuelle Prüfung von Asylanträgen. Indes die GenossInnen sich streiten, ist die CDU/CSU bei der Demontage des Asylrechts schon wieder einen Schritt weiter. Wesentlicher Unterschied zwischen den Regelungen der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) und dem bundesdeutschen Asylrecht ist, daß nach Artikel 16 in Kombination mit dem Artikel 19, der Rechtsweggarantie, abgelehnte AsylbewerberInnen vor einem deutschen Gericht gegen ihre Ablehnung klagen können. UnionspolitikerInnen vom rechten Flügel wollen diese Rechtsweggarantie für Asylsuchende einfach abschaffen und anstelle von Gerichten einen Beschwerdeausschuß des Bundestags über die Klagen der Asylsuchenden befinden lassen.

Innenminister Seiters jüngster Vorschlag geht dahin, AsylbewerberInnen, deren Anträge als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt wurden, sofort abzuschieben und ihnen nur noch vom Ausland aus die Möglichkeit zur Klage einzuräumen. Das beträfe etwa 70 Prozent der heutigen Aslysuchenden, die damit auch rechtlich zu Asylsuchenden zweiter Klasse degradiert würden. Diese Mehrheit der Flüchtlinge wären jene Asylsuchenden, die in der Bundesrepublik nach den Vorstellung von CDU/CSU, der SPD und auch Teilen der FDP zukünftig ohnehin nur noch zu verkürzten Verfahren zugelassen werden würden. Nach welchen Kriterien dies geschehen soll, darüber streitet man sich noch. Gängigster Vorschlag bisher ist, dazu eine Liste sogenannter Nichtverfolgerstaaten aufzustellen.

Flüchtlinge erster und zweiter Klasse

AslybewerberInnen ohne Papiere, solche aus „verfolgungsfreien“ Drittstaaten oder jene, die im Ausland Verbrechen begangen haben, sollen künftig gar nicht mehr einreisen können. Wenn sie schon im Land sind, soll ihnen der Zugang zu „normalen“ Asylverfahren verwehrt werden, ebenso wie Bürgerkriegsflüchtlingen und Asylsuchenden, deren Antrag bereits in einem anderen EG-Staat abgelehnt wurde. Nur jene Minderheit, die nach bestimmten Kriterien (wie der Herkunft aus bestimmten, als Verfolgerstaaten eingestuften Ländern) überhaupt noch in ein normales Asylverfahren hineinkäme, hätte weiter das Recht, solange in der Bundesrepublik zu bleiben, bis ein Gericht über eine eventuelle Ablehnung ihres Asylantrags entschieden hätte.

Neben diesen grundlegenden Gesetzesänderungen werden derzeit quer durch die Parteien Vorschläge gemacht, die darauf zielen, die Lebensbedingungen für Asylsuchende so zu verschlechtern, daß weitere Flüchtlinge abgeschreckt werden. Bettina Markmeyer

Zur Kehrtwende der SPD in der Asylfrage siehe auch das Interview mit Björn Engholm auf Seite 9