500 Jahre Conquista fast unbeachtet

■ Trotz zweijähriger Arbeit an einem Konzept für eine Gegenkampagne zu den offiziellen Feierlichkeiten gelang keine öffentlichkeitswirksame Aufbereitung des Jahrestages der Entdeckung Amerikas/ Weitere Aktionen am 12. Oktober

Berlin. Ein angezogener Weißer schlägt einem nackten Indianer mit der Axt die Hand ab. Im Hintergrund türmen sich Berge von Leichen. Vorher schon war den UreinwohnerInnen Amerikas ihr Gold abgenommen worden. Das ist 500 Jahre her — dargestellt in einer zeitgenössischen Zeichnung. Teile des geraubten Goldes, seinerzeit nach Europa verfrachtet, sind derzeit im Gropiusbau in der Ausstellung »Amerika 1492-1992 Neue Welten — Neue Wirklichkeiten« zu bestaunen.

Eine weiße Frau mit einem Sektglas in der Hand besieht sich die Exponate. Was sie nicht versteht, sind die bunt angezogenen Menschen, die lautstark und als Pfarrer, Militär und deutscher Biedermann verkleidet, gegen Rassismus protestieren, Schilder mit den Aufschriften »Rostock« und »Quedlinburg« um den Hals gehängt. Ausstellungseröffnung in Berlin am vergangenen Freitag. Die kleine Gruppe, die da protestiert, kann sich rühmen, fast die einzige Aktion in Berlin zur fünfhundertsten Wiederkehr des Genozidbeginns auf die Reihe gebracht zu haben.

Zwar wurde seit über zwei Jahren an einem Konzept für eine »Gegenkampagne« zu den offiziellen Feierlichkeiten der spanischen Regierung diskutiert. Doch fand niemand eine Methode, dieses eher zum kulturellen Schick und zur lateinamerikaorientierten ExpertInnendiskussion einladende Thema öffentlichkeitswirksam aufzubereiten. Um heute Rassismus anzuklagen, braucht leider niemand den Jahrestag zu bemühen. Spätestens vor den Asylbewerberheimen ist das Thema brutal aus der verstaubten Geschichte geholt worden.

Die Bewegung hatte sich eingerichtet auf ein großes offizielles Brimborium, das unkritisch die spanische Interpretation der »Begegnung zweier Welten« übernehmen würde. Dem ist nun nicht so — auch die »Gegenseite« kam mit dem Thema nicht so heraus wie erwartet. Der Jahrestag ist in der Öffentlichkeit kein Thema, und die Bewegung ist weder stark genug noch willens, den »V. Centenario« als zentrales Ereignis auf die politische Tagesordnung der Stadt zu setzen.

Richtige Ärgernisse gab es lediglich an der Werbefront. Eine Berliner Bank zum Beispiel warb damit, daß Kolumbus sein Gold besser bei ihr zinsgünstig angelegt hätte. Doch die Anzeige war untergebracht im Programmheft der Lateinamerika- Veranstaltungen aller nur denkbaren Berliner Gruppen — und das war interessant für alle. Der Ärger ließ sich schnell vergessen bei den heißen Klängen des Merengue-, Salsa- und Afro-Spektakels der diesjährigen »Heimatklänge« im Tempodrom. Szene und TouristInnen tanzten sich durch den heißen Sommer.

Die Veranstaltungsreihe in Kreuzberger Lokalen im Juni unter dem eher spröden Titel »Gegen die HERRschende Welt(un)ordnung« bot zwar eine Fülle interessanter Veranstaltungen. Allein das martialische Plakat jedoch, aufgemacht mit einer Plünderungsszene aus Los Angeles, dürfte ein nicht zur Szene gehöriges Publikum von Anfang an ausgeschlossen haben.

Die Bewegung hat es nicht geschafft, mit dem Thema der »500 Jahre« größere politische Relevanz zu erlangen, auch wenn zum 12. Oktober selbst noch Aktionen angekündigt sind. Vielleicht aber ist es auch ganz gut so, daß zum Kampf gegen Quedlinburger Verhältnisse nicht Columbus bemüht werden muß. Bernd Pickert

Bis zum 3. Januar 1993 ist die Ausstellung di.-so. 10-20 Uhr zu sehen.