Gehirnströme

■ Kybernetische Medizin und elektromagnetische Strahlen

Die Medizin bestätigt schon seit Jahrzehnten die Wirkung elektromagnetischer Felder. Sie werden nicht nur für hochkomplexe Diagnosen eingesetzt, wie in der Kernspintomographie, wo starke magnetische Felder Schichtbilder des Gehirns liefern. Sie dienen auch der Therapie von der altbekannten Infrarotbestrahlung bis hin zur Elektroanästhesie. Ganz heftig, außerhalb der Schulmedizin, werden zunehmend elektromagnetische Felder eingesetzt. Der New Yorker Orthopäde Andrew Basset hat den Heilungsverlauf von Knochenbrüchen mit ausgewählten, gepulsten Feldern günstig beeinflußt. Wie das künstlich hervorgerufene Knochenwachstum funktioniert, weiß bislang niemand. Daß es praktikabel ist, steht außer Zweifel. Sehr viel kritischer ist die Bioresonanz-Therapie zu bewerten, auch biokybernetische Medizin genannt, die sich immer mehr ausbreitet. Dazu gehören sämtliche „energetischen“, das heißt nicht-chirurgischen und nicht- chemischen Eingriffe in den Organismus von der Akupunktur und Biofeedback über Mora und Radionik bis hin zu den obskuren Verfahren von Wunderheilern. Der Graham-Potentializer reiht sich in diese Verfahren ein. Er erzeugt elektromagnetische Felder, die dem Gehirn verpaßt werden. Das Gehirn wird wahlweise angeblich in verschiedene Zustände versetzt: Alpha verspricht Entspannung bei 8 bis 12 Hertz, Theta Tiefenentspannung bei 4 bis 7 Hertz und bei Delta soll sich eine Art hypnotischer Trance einstellen, in der Selbstheilungskräfte bei einem bis drei Hertz freigesetzt werden. Ähnliches behaupten auch die weitverbreiteten Mind-Machines, die es sogar schon im Taschenformat gibt. Durch optische (Plastikbrille mit Lämpchen) und akustische (Kopfhörer mit penetrantem Piepston) Stimulierung werden neurophysiologische Prozesse beeinflußt. Diese völlig unerforschte und willkürliche Manipulation von Gehirnströmen trägt eine enormes Risiko in sich: Wahrnehmungs- und Konzentrationsstörungen, möglicherweise völlig unkontrollierbare Reaktionen bei Menschen mit (latenter) neurotischer oder psychiatrischer Erkrankung. Herz-Kreislauf-Labile und Epileptiker können lebensbedrohliche Schäden davontragen. Die Hersteller selbst raten Schwangeren von solchen Geräten ab. Werner Groß, Sprecher des Berufsverbandes Deutscher Psychologen warnt: „Als in den 50er Jahren die Elektroschocks erstmalig angewandt wurden, waren auch alle begeistert. Heute kennt man die gravierenden Nachteile. Mit Gehirnströmen ist nicht zu spaßen.“ Derlei Geräte rangieren unter „elektronischem Spielzeug“, für das keine Betriebsgenehmigung vorliegen muß. Colin Goldner