Deutsche Hilfe für Ghaddafis Raketen

Die deutsche Firma H+H-Metalform schmuggelte Spezialmaschinen zur Herstellung chemiewaffentauglicher Raketen nach Libyen/ Bonn fürchtet „massives internationales Echo“  ■ aus Bonn Th. Scheuer

Die Firma H+H Metalform im westfälischen Drensteinfurt steht im Verdacht, illegal Maschinen nach Libyen geschleust zu haben, die dort zur Herstellung chemiewaffentauglicher Artillerieraketen eingesetzt werden. Das Bonner Außenministerium befürchtet bei Bekanntwerden der Lieferungen erneut „massive internationale Reaktionen“. Gegen die Firma wird bereits wegen ähnlicher Lieferungen an Rüstungskomplexe im Irak und in Indien ermittelt. Die beiden H+H-Geschäftsführer Dietrich Hinze und Peter Hütten sitzen deswegen seit dem 24. Februar dieses Jahres in U-Haft.

Offenbar standen neben den Beschaffern Saddam Husseins auch die Raketentechniker Gaddafis ganz oben auf der H+H-Kundenliste. Im Frühsommer 1991, also zu einem Zeitpunkt, da gegen die Firma in Sachen Irak schon heftig ermittelt wurde, schleuste H+H Metalform eine Rollen-Drückwalzmaschine vom Typ DV 450 über Polen nach Libyen. Offiziell hatte die Hamburger Firma Dressco Contact die Maschine bestellt und über die Handelsfirma Expol nach Polen exportiert, angeblich für einen dortigen Kunden zur Herstellung von Gasflaschen. Doch von Polen aus wurde das Gerät via Tunesien nach Libyen verschifft. Den entscheidenden Tip erhielten die deutschen Fahnder von einem Mitglied der Gewerkschaft Solidarnosz, das am Verladen beteiligt war.

Nach Einschätzung von Experten ist die gelieferte Maschine speziell für die Herstellung von Brennkammern für Artillerieraketen ausgelegt. Nach Angaben eines Beteiligten soll H+H-Geschäftsführer Hinze seinerzeit ihm gegenüber geprahlt haben, „wie intelligent dieses Geschäft eingefädelt“ sei. Mit diesem Deal habe er „wieder mal die Karre aus dem Dreck gezogen“.

Im Sommer 1991 versuchte H+H, eine weitere Maschine des Typs DV 450 nach Libyen zu schmuggeln. Dieses Mal sollte die Route über die österreichische Firma Mahr Maschinenbau in Wien zu einem Endabnehmer in Slowenien führen. Doch als vermeintlichen Kunden orteten Fahnder dort nur eine schmuddelige Klitsche, die offenbar als Tarnadresse herhielt. In der Korrespondenz über dieses Geschäft taucht auch der Name Harald Göschel auf. Der ehemalige Bundesgeschäftsführer der FPÖ ist in Wien für seine ausgezeichneten geschäftlichen und politischen Kontakte nach Tripolis bekannt. Nachdem die österreichische Botschaft eine entsprechende Warnung der deutschen Behörden an das Wiener Wirtschaftsministerium gekabelt hatten (das Telex liegt der taz vor), zog dieses die bereits ausgestellten Importbescheinigungen für die Mahr Maschinenbau eiligst wieder zurück.

Die Fahnder gehen davon aus, daß die fraglichen Maschinen für den libyschen Rüstungskomplex „Al Fateh“ bestimmt waren. Dort werkeln libysche Techniker seit Jahren an der Entwicklung eigener Raketen — offenbar mit massiver deutscher Hilfe: Seit einem Jahr ermittelt die Justiz gegen die hessische Firma Fritz Werner wegen möglicherweise illegaler Lieferungen an „Al Fateh“.

Hinweise darauf, daß auch die H+H Metalform Libyen auf der Kundenliste führte, gab es schon früher: Bereits 1987 offerierte die Firma eine Fließdrückmaschine, Modell DV 1000. Gerichtet war das Angebot Nr. 1-8700661, das der taz in Kopie vorliegt, an das Postfach des Professors Ishan Barbouti in Zürich. Eine heiße Adresse: Als Generalunternehmer für das legendäre „Technologie-Zentrum“ in Rabta hatte der im August 1990 in London verstorbene Barbouti bei der deutschen Imhausen-Chemie jene komplette Giftgas-Fabrik geordert, die um die Jahreswende 1988/89 für weltweite Negativ-Schlagzeilen sorgte.

Ähnliches Umgemach befürchtet Bonn jetzt wegen der H+H-Deals mit Libyen. Denn nach Auskunft von Experten wird das gelieferte Gerät zur Herstellung von Artillerieraketen benötigt, die „auch zum Verschießen von chemischen Waffen geeignet“ sind. In einem internen Papier des Außenministeriums vom 24. August dieses Jahres wird bereits befürchtet, daß bei einem Bekanntwerden der Lieferungen „ein massives internationales Echo ausgelöst und die Glaubwürdigkeit der Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland erneut in Zweifel gezogen werden wird.“ Die Affäre Rabta läßt grüßen.