Von Meerschweinen und Menschen

■ Zweiter Kongreßtag der Senatsbauverwaltung zur Stadterneuerung: viele Fragen, wenig Antworten

Berlin. Das Meerschweinchen ist in Sicherheit. Das braun-weiß gefleckte Tier, das die Prenzlberger Mieterinitiative »Wir Bleiben Alle« (W.B.A.) am Donnerstag auf dem Kongreß zur Stadterneuerung dem Referenten des Bausenators, Erich Jesse (SPD!) überreichte, wurde von einem Mitarbeiter der Bauverwaltung in die Tierhandlung zurückgebracht, in der es gekauft wurde.

Weniger sicher können sich MieterInnen in Ost-Berlin fühlen. »Unser Ziel ist: Retten, was zu retten ist«, beschrieb Franziska Eichstädt, für den Sanierungsträger Stattbau in Friedrichshain tätig, auf der abendlichen Podiumsdiskussion die Situation. Die Probleme seien allen bekannt, nun gelte es endlich, die rechtlichen Instrumente zu deren Bewältigung zu schaffen. Die Mieten, vor allem die Gewerbemieten, müßten gesetzlich begrenzt werden, sonst habe die Stadterneuerung keinen Sinn, so Eichstädt. Auch die Bodenpreissteigerungen müßten gestoppt werden, der Senat habe es versäumt, rechtzeitig Sanierungsgebiete auszuweisen. »Vor zwei Jahren kosteten Grundstücke in Friedrichshain noch 300 bis 500 Mark den Quadratmeter, nun über tausend Mark«, sagte Eichstädt. Notwendige Grundstücke für die Infrastruktur würden von privaten Spekulanten weggekauft. Es gebe Beispiele, wo für ein Grundstück, auf dem das Bezirksamt Friedrichshain einen Spielplatz anlegen wolle, 1.700 Mark pro Quadratmeter verlangt würden, für eine Freifläche, die für eine Schule benötigt werde, gar 4.000 Mark. Berlin habe eben keine Planungskultur, kritisierte der Referatsleiter der Senatsbauverwaltung, Dieter Geffers. Deshalb herrsche beim Umgang mit Investoren das »Kuhhandelprinzip«.

Die Infrastruktur ist auch in Prenzlauer Berg ein genauso großes Problem wie der marode Zustand der Häuser, berichtete Theo Winters, Chef der dortigen Stadterneuerungsgesellschaft S.T.E.R.N. Die Schulen seien »19.Jahrhundert pur«, die sanitären Einrichtungen erinnerten an »Gefängnisse in alten Filmen«. Viele Kitas seien in Altbauten untergebracht, die demnächst privatisiert werden, ihnen drohe der Rauswurf. Zudem gebe es zuwenig Gewerberäume, so daß auf den Wohnungen »Zweckentfremdungsdruck« laste. Auch ein Recht des Mieters, seine Wohnung selbst und vom Senat bezuschußt modernisieren zu dürfen, befürwortet S.T.E.R.N. Allein am Helmholtzplatz werde die Sanierung eines Großteils der 13.000 Wohnungen dort 1,5 Milliarden Mark kosten und 15 bis 20 Jahre dauern, so Winters.

Während der übrigen Diskussion warf das hochkarätige, fast nur mit Westlern besetzte Podium vor allem Fragen auf, deren Beantwortung man sich eigentlich von dort erhofft hätte. S.T.E.R.N.-Oberguru Gustav Hämer betonte, es sei viel zu wenig über die ungeklärten Eigentumsverhältnisse geredet worden. Der Staatssekretär der Bauverwaltung Frank Bielka, fragte, wie man es anstelle, daß private Investoren kommen, aber keinen allzuhohen Schaden anrichten. Die Stadtplanungsprofessorin Helga Faßbinder fragte, wie man mit der drohenden Verdrängung von Mietern durch die Stadterneuerung umgehen solle. Und warum, wollte der Chef der Wohnungsbaugesellschaft Mitte, Karl- Heinz Schmidt wissen, gibt es keine Beratungsmöglichkeiten für gutwillige Alt-Eigentümer? Ungeklärt blieb aber nicht nur dies, sondern auch die Frage, wie man einen Kongreß organisieren kann, bei dem es weder Telefon noch schriftliche Unterlagen gibt und noch nicht einmal Namensschilder für das Podium vorbereitet wurden. Eva Schweitzer