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Saurer Regen zersetzt den Boden

■ Oldenburger Wissenschaftler berichteten aus fünf Jahren Forschung / Mit dem Boden kippt das Grundwasser

Geahnt haben es die Fachleute schon lange: Umweltgifte und saurer Regen machen auch vor dem Boden nicht halt. Die „Bodenkundliche Arbeitsgruppe“ an der Oldenburger Carl-von-Ossietzky-Universität, bestehend aus Biologen, Chemikern und Geologen, hat jetzt vor der Tagung der Deutschen Bondekundlichen Gesellschaft in Oldenburg aus fünfjähriger Forschungsarbeit berichtet. Ergebnis: Der Boden ist nicht nur belastet, er wird regelrecht zerstört.

„Bodenzerstörung durch menschliche Einwirkung“ war das Thema, zu dem 100 WissenschaftlerInnen aus dem In- und Ausland zusammengekommen waren. Ihnen erklärten die Oldenburger Wissenschafter, warum nicht mehr viel Zeit bleibt, den Wald zu retten: Schadstoffe und vor allem Säuren führen zu irreversiblen Schäden, schlimmstenfalls sogar zur vollständigen Auflösung von Bodenpartikeln. Bedroht sind zum Beispiel Ton-, Eisenoxyd- und Humuspartikel. Sie speichern Wasser und die für Pflanzen lebensnotwendigen Nährstoffe im oberen Bodenbereich. Der Umkehrschluß liegt auf der Hand: Ohne diese Partikel im Boden sterben die Pflanzen ab.

Der saure Regen beschert den Boden pro Hektar und Jahr 300 bis 500 Kilogramm Säure, in Industriegebieten sogar noch mehr. Landwirtschaftlich genutzte Flächen können das gerade noch verkraften, denn sie werden durch Düngen und Pflügen regelmäßig saniert. Der Waldboden aber ist dem sauren Regen hilflos ausgeliefert. Große Teile sind deshalb bereits in Mitleidenschaft gezogen, besonders im Nordwesten, wo der Boden ohnehin viel Sand und wenig Partikel enthält, und in den Mittelgebirgen, die der extremen Luftverschmutzung aus dem Osten ausgesetzt sind.

Angesichts der hohen Säurekonzentration im Waldboden (PH-Wert unter 3) bezeichnet Prof. Harald Gebhardt vom Fachbereich Biologie der Uni Oldenburg „die paar Kilo Kalk“, die hin und wieder zur Sanierung aufgeschüttet werden, als „reine Kosmetik“. Gebhardt: „Nötig wären einige Tonnen Kalk pro Hektar.“ Und selbst das verspreche nur da Erfolg, wo die Säure noch nichts aufgelöst hat. Im Grunde müsse der zerstörte Waldboden tief umgegraben („melioriert“) und dann gekalkt und neu aufgeforstet werden.

Das und der sofortige Stop von Säure-Emissionen sei die einzige Möglichkeit, die betroffenen Waldgebiete zu retten. Gebhardt lakonisch: „Oder man verzichtet halt auf den Wald.“ Für Gebhardt ist diese Frage in erster Linie ein ethisches Problem. Rein ökologisch gesehen könne man gut ohne Wald auskommen. Doch selbst dann müsse etwas getan werden: Der Boden ist nämlich nicht nur Lebensraum für Pflanzen, sondern vor allem auch ein wichtiger Grundwasser-Filter. Wenn die filternden Partikel weiterhin so von Säure zersetzt werden wie bisher, sickern sämtliche Schadstoffe bald ungehindert ins Grundwasser und damit ins Trinkwasser. Isabel Yeginer

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