Neue GUS-Rolle in Nationalitätenkonflikten gesucht

■ Rußland fordert GUS-Intervention in Berg-Karabach/ „Blutbad“ in Tadschikistan

Moskau (dpa/taz) — Immer stärker beschäftigt sich Rußland mit den um sich greifenden Konflikten in ehemaligen Sowjetrepubliken. Nach der Forderung des russischen Parlaments an Georgien, sich aus der abtrünnigen Teilrepublik Abchasien zurückzuziehen, sind die russisch-georgischen Beziehungen schwer belastet; Georgiens Staatsratsvorsitzender Eduard Schewardnadse traf gestern auf seinem Rückweg von der UNO-Vollversammlung in New York in Moskau ein, um darüber mit Präsident Jelzin zu reden. Währenddessen hat der russische Verteidigungsminister Pawel Gratschow im GUS-Fernsehen gesagt, er halte die Zeit für gekommen, den armenisch-aserbaidschanischen Krieg um Berg-Karabach notfalls mit auswärtiger Hilfe zu beenden.

„Wenn das nicht geschieht, müssen Truppen der UNO oder gemeinsame Truppen der UNO und der GUS-Staaten hingeschickt werden und auf alle Druck ausüben, die dort schießen“, sagte Gratschow. Er erklärte, schon „vor langer Zeit“ den Auftrag erhalten zu haben, Wege zu einer Beilegung des militärischen Konfliktes zu suchen. „Meine Aufgabe besteht darin, einen engen Kontakt zu den Verteidigungsministern Armeniens und Aserbaidschans zu suchen und mich sogar mit ihnen anzufreunden“, erklärte Gratschow.

Die Verteidigungsminister hatten Mitte September einen Waffenstillstand vereinbart, der in der Nacht zum vergangenen Samstag in Kraft treten sollte. Am Tag zuvor hatte Gratschows Stellvertreter mit den Verteidigungsministern der beiden verfeindeten Republiken zusätzlich einen Mechanismus zur Durchführung des Waffenstillstands ausgehandelt, der aber von beiden Seiten am Wochenende gebrochen worden ist.

In dem Waffenstillstandsprotokoll ist ein Mechanismus für den Austausch von Kriegsgefangenen und Geiseln sowie die Schaffung eines mindestens zehn Kilometer breiten entmilitarisierten Korridors vorgesehen. Schwere Waffen sollen mindestens 20 Kilometer weit von der jeweiligen Trennungslinie zurückgezogen werden. Laut Angaben der amtlichen Nachrichtenagentur ITAR-TASS sind bereits GUS-Beobachter in die Generalstäbe Eriwans und Bakus entsandt worden.

Unterdessen hat Tadschikistans neuer Regierungschef Akbarscho Iskanderow in einem Brief an Jelzin Rußland eine indirekte Schuld an einem „Blutbad“ in der umkämpften Stadt Kurgan-Tjube gegeben. Nach erbitterten Kämpfen um diese Stadt ist die gesamte Zivilbevölkerung geflohen, in den Straßen sollen unzählige Leichen liegen. Iskanderow warf Jelzin vor, die nahe der Stadt stationierten russischen Verbände hätten Waffen an Verbände von Freischärlern abgegeben, um letzteren Vorteile zu verschaffen, und damit einseitig in den Konflikt zwischen der Regierung und dem gestürzten tadschikischen Präsidenten Nabijew eingegriffen. Am Wochenende hatten Nabijew-treue Freischärler von einem russischen Regiment nahe Kurgan-Tjube Panzer und Raketen erbeutet.

Spannungen in russischer Kaukasus-Republik

Die an Georgien angrenzende, zu Rußland gehörende Autonome Republik Karbadino-Balkarien durchlebt gespannte Tage. Ein am Sonntag verhängter Ausnahmezustand wurde gestern wieder aufgehoben. Am Samstag hatten Demonstranten versucht, den Regierungssitz und den Fernsehsender zu stürmen. Sie protestierten gegen die Verhaftung von Juri Schanibow, Chef der auch in Abchasien und Tschtschenien aktiven „Vereinigung der Nord-Kaukasischen Bergvölker“, am vorigen Mittwoch. Die Aufhebung des Ausnahmezustandes folgte auf Verhandlungen zwischen den Behörden und dem nationalistischen „Kongreß des kabardischen Volkes“.