Comeback des Gockels

Das griechische Parlament entscheidet heute die Rückgabe des Vermögens an Ex-König Konstantin  ■ Aus Athen Takis Gallis

Auf der „Alexandros“, der Luxusyacht des griechischen Großreeders Jannis Latsis, war er Alleinunterhalter. „Konstantin von Griechenland“, der hellenische Ex-Monarch, zeigte sich von seiner lustigsten Seite. Vor der ionischen Insel Zakynthos, wo „Alexandros“ Ende August vor Anker lag, hörte man die Lachsalven. Lady Di konnte ihrem Gatten Charles lächelnd in die Augen schauen — das erste Mal nach vielen Monaten der Abwendung. Konstantin sei Dank.

Seit zwei Wochen nun hat die Lachkanone Ladehemmung. „Kokos“, wie er von Freunden liebvoll und von Gegnern hämisch genannt wird, spricht nicht, witzelt nicht, lacht nicht mehr. Diesmal geht Konstantins Stimmungstief nicht auf seine sprichwörtliche Launenhaftigkeit zurück. Was ihn nervt, sind die Massenmedien. Seitdem sie wissen, daß das griechische Parlament über sein Vermögen entscheidet, fahren die Journalisten schwerstes Geschütz auf. Die seriösen werfen ihm „verfassungswidrige Ansprüche“ vor. Die weniger seriösen scheuen sich nicht, ihn „Langfinger“, „Steuerdieb“ oder „Betrüger“ zu nennen. Um ihn medial hinzurichten, genügt indes, „Kokos“ zu sagen. „Kokos“ heißt „Gockel“ oder „eitler Hohlkopf“. Allein dieser Name auf den Titelseiten ruft Gelächter hervor.

Dennoch wird Konstantin voraussichtlich als Letzter lachen. Die Gesetzesvorlage, die Ex-Wirtschaftsminister Jannis Paleokrassas im Parlament eingebracht hat, schanzt ihm 5.000 Hektar zu, das sind etwa 60 Prozent des ursprünglichen Vermögens der königlichen Familie. Dazu kommen zwei Traumschlösser, das Palais Mon Repos auf der Insel Korfu sowie die Sommerresidenz in Tatoi bei Athen, auf deren Gelände auch der private königliche Friedhof liegt. Entgegenkommen zeigte Paleokrassas auch bei der Frage der königlichen Steuerschulden, die sich auf umgerechnet fünf Millionen Mark belaufen. Der Ex-König braucht nur noch 1,3 Millionen zu berappen. Dafür gehen 400 Hektar Baugrund von Tatoi in den Besitz des Staates über. Sein bewegliches Eigentum hat Konstantin in den letzten Monaten außer Landes gebracht. Fotoreporter konnten an die 60 LKWs ablichten, die das Gut in den Hafen von Piräus brachten. Dort wurde es nach London eingeschifft, wo der Ex-König lebt.

Daß heute die Regierungsvorlage vom Parlament angenommen wird, gilt als sicher. Die Regierungspartei „Nea Demokratia“ verfügt über eine knappe, aber stabile Mehrheit. Die 152 konservativen unter den insgesamt 300 Abgeordneten stimmen gewohnheitsmäßig einmütig. Die Einwände der Opposition gegen die „Lex Kokos“ haben kaum eine Chance. Die drei oppositionellen Parteien — die „Pasok“-Sozialisten, die linksliberale „Synaspismos“ und die traditionelle KP — betrachten die Gesetzesvorlage als verfassungswidrig. Nicht nur weil Konstantin etwas zurückbekommen soll, was ihm als Privatperson nicht zusteht. Sondern auch, weil er im Gesetzestext als „Ex-König“ bezeichnet wird, obwohl die heutige Verfassung Adelstitel verbietet. Diese Anrede gibt Konstantin die Handhabe, später die Rückkehr zur Monarchie zu fordern, meint die Pasok. Auch wenn die monarchistischen Abgeordneten der Nea Demokratia stark in die Debatte eingreifen wollen, ist eine Rückkehr zur Monarchie unwahrscheinlich. Konstantin trägt nach wie vor das Stigma von „Kokos“ — eine monarchistische Nostalgiewelle wie etwa in Serbien oder Rumänien ist in Griechenland kaum denkbar. „Nur wenn das Land in eine Katastrophe stürzt, könnte die Monarchie als Notnagel herhalten“, meint der konservative Ex-Premierminister Georgios Rallis. Schlimmstenfalls käme die Katastrophe aus dem Kosovo. Eine Ausdehnung des bosnischen Kriegs auf dieses Gebiet — darin sind sich alle griechischen Politiker einig — würde automatisch den gesamten Balkan in einen Kriegsherd verwandeln.

Realistischerweise muß sich Konstantin damit abfinden, nur eine Vergangenheit als König zu haben. Noch dazu eine kurze: Seit März 1964 war er drei Jahre und neun Monate in Amt und Würden. Dabei hätte sein Start kaum besser sein können: Sein Olympiasieg 1960 als Segler in Rom und seine heitere Art hatten dem damals 24jährigen Sympathien in der ganzen Bevölkerung eingebracht. Doch innerhalb weniger Monate waren diese Sympathien vollkommen verspielt. Konstantins unglücklichster Coup war die Absetzung des populären sozialistischen Ministerpräsidenten Georgios Papandreou, Vater des heutigen Pasok-Chefs Andreas Papandreou. Die politische Destabilisierung, die darauf folgte, mündete in den Obristenputsch vom April 1967.

Armer Konstantin. Obwohl er den Putsch nicht wollte, mußte er sich mit den Obristen arrangieren. Ein Foto, das ihn gemeinsam mit den Militärs zeigt, wurde ihm zum Verhängnis. „Eine Visitenkarte für die Ewigkeit“, urteilte damals eine italienische Zeitung. Er konnte sie nicht mehr umtauschen— weder im Dezember 1967, als er nach einem von ihm inszenierten Gegenputsch nach Rom fliehen mußte, noch im Sommer 1973, als die Militärjunta die Monarchie für abgeschafft erklärte. 1975 beim Referendum über die Monarchie haben 68,8 Prozent der Wähler vor allem gegen dieses Gruppenfoto gestimmt.

Schicksalsschläge erlitten auch Konstantins Vorfahren. Etwa sein Urgroßvater Georg I., der 1913 Opfer eines Revolverattentates wurde. Oder Großvater Konstantin I., der gleich zweimal vom Thron abgesetzt wurde. Der allerunglücklichste war Onkel Alexander, den, buchstäblich, der Biß eines wilden Affen dahinraffte.

Konstantins Pech wird durch ein finanziell sorgenfreies Leben gemildert. Zeitungen zufolge besitzt er ansehnliche Aktienpakete von Fiat und General Motors. Überdies, so Insiderinformationen, bekommt er Spenden von Reederkreisen, die ihn als eiserne Reserve für den Fall eines Regimewechsels betrachten. Neben der Residenz im eleganten Londoner Bezirk Hampstead unterhält er ein großes Büro in der City. Sein Büroleiter Robert Lif, Experte in Fragen von Public Relations, bastelt behutsam am neuen Profil des Ex- Königs. In Interviews spricht Konstantin nur über Sport und das Leben in den europäischen Adelszirkeln. Nicht ohne Hintergedanken. Lif: „Seine Majestät will sich nicht äußern, solange die Frage seines Vermögens in Griechenland ungelöst ist.“