Banja Lukas letzte Muslime

■ In Serbisch-Bosnien wird weiter kräftig „gesäubert“

Banja Luka (wps) — „Banja Luka ist eine ganz friedliche Stadt“, behauptete der bosnische Serbenführer Radovan Karadzic am Freitag, als er die internationalen Vermittler David Owen und Cyrus Vance traf. „Es gibt keinerlei Anzeichen für Druck oder ethnische Säuberungen.“

Die Realität in der Hauptstadt von „Serbisch-Bosnien“ sieht ganz anders aus, glaubt man internationalen Hilfsorganisationen: Eine neue Säuberungswelle ist im Gange, um die noch verbliebenen 200.000 Muslime der Region endgültig zu vertreiben. Dadurch entsteht ein neues Flüchtlingsproblem, insbesondere weil Kroatien und Österreich mittlerweile ihre Grenze für bosnische Flüchtlinge geschlossen haben.

Allein am Samstag verließen 3.500 Muslime die Region um Banja Luka. Sie nahmen den einzig noch verbliebenen Fluchtweg — eine neun Kilometer lange Wanderung zu Fuß an serbischen Freischärlern vorbei in die bosnische Stadt Travnik. Die Serben nehmen dafür Geld, berichtet ein Hilfsarbeiter: „Die Leute sind so verzweifelt, daß sie alles zahlen und ihr ganzes Eigentum zurücklassen, einfach, um gehen zu können.“

Zehntausende nichtserbische Zivilisten sind in den letzten fünf Monaten hier getötet worden, sagt einer der erfahrensten ausländischen Beobachter der Gegend. Es begann Ende Mai, als das Dorf Kozarac westlich von Banja Luka total zerstört wurde. 3.000 Bosnier sollen dabei ihr Leben verloren haben. Manche wurden in Felder geschickt und dann von serbischen Armeefahrzeugen überrollt. Seit zwei Wochen ist eine erneute Terrorkampagne im Gange. „Es übersteigt jede Vorstellungskraft“, erzählt ein Hilfsarbeiter. „Jeden Tag werden 20, 30, sogar 50 Zivilisten umgebracht.“

Letzte Woche, als Vance und Owen die Region besuchten, war der Terror besonders schlimm. Mindestens vier muslimanische Dörfer — Bosanski Petrovac, Cela, Brezicani und Oarasac — wurden vollständig „gesäubert“. Das heißt: Maskierte serbische Schützen gingen von Haus zu Haus und warfen Granaten hinein; wenn die Bewohner herausrannten, wurden sie erschossen; zum Schluß wurden die Häuser abgebrannt.

Banja Luka selbst gleicht einem Militärlager. Mehrere dutzendmal am Tag donnern Tiefflieger über die Stadt. Am Tag vor dem Vance- Owen-Besuch wurde ein muslimischer Geistlicher auf seinem Fahrrad durch einen Kopfschuß getötet. Mindestens 200 Zivilisten haben in den letzten zwei Monaten in der Stadt einen gewaltsamen Tod gefunden. Manche Muslime haben seit sechs Wochen ihre Häuser nicht verlassen — aus Angst vor einem Erlaß, der die Verhaftung jedes Mannes erlaubt, der sich der Zwangsrekrutierung in die serbischen Streitkräfte entzieht. Prominente Muslime der Stadt haben nächtliche Telefonanrufe erhalten mit der Frage: „Wissen Sie nicht, daß Sie auf der Liquidierungsliste stehen?“

„Es gibt Ausschreitungen einzelner Individuen“, gibt der Polizeikommandant der Stadt, Stojan Zupljanin, zu. „Das kann man nicht kontrollieren.“ Aber vor drei Wochen sagte Radisav Brdjanin, Vorsitzender des örtlichen „Kriegskomitees“, im lokalen Fernsehen, daß von den 30.000 Muslimen der Stadt 29.000 „auf dem einen oder anderen Wege“ verschwinden müßten.

Auch unter den 11.000 Muslimen der Stadt Prijedor, etwa 30 Kilometer weiter westlich, herrscht Panik. Als letzte Woche eine Delegation des Roten Kreuzes eintraf, wurde sie gleich von 2.000 Fluchtwilligen umringt. Warnschüsse der serbischen Polizei trieben die Menge wieder auseinander. Ein Flüchtlingskonvoi aus zwölf Bussen, der am Samstag durch die Stadt fuhr, wurde nahezu gestürmt. Jetzt rechnen alle mit Unruhen, wenn Ende dieser Woche das Rote Kreuz wieder in die Stadt kommt: Mit 35 Bussen will es muslimische Gefangene aus dem nahegelegenen serbischen Lager Trnopolje evakuieren. Mary Battiata