Wendehals-Kontinuität in Rumänien

Die „Demokratische Front der Nationalen Rettung“ des alten und neuen Präsidenten Iliescu erwägt angeblich eine Koalition mit der Securitate-verbundenen extremen Rechten  ■ Aus Bukarest Roland Hofwiler

Nach dem erneuten Sieg des Altkommunisten Ion Iliescu bei den Präsidentschaftswahlen stellte sich gestern in Rumänien die bange Frage: Wird Iliescus „Demokratische Front der Nationalen Rettung“ etwa im Bündnis mit der extremen Rechten eine neue Regierung bilden? Anzeichen dafür gibt es bereits. Anläßlich eines Empfangs beim alten und neuen Präsidenten am Montag abend erschien Generalmajor Vasil Mihalache und konnte es sich vor Reportern nicht verkneifen: „Alle wahren Rumänen stehen doch hinter Iliescu. Wir haben die Mehrheit zusammen mit Funar, Tudor und Paunescu.“ Mit anderen Worten: Die extreme Rechte paktiert mit dem Altkommunisten.

Mihalache ist kein Unbekannter. Im Ceausescu-Regime war er oberster Securitate-Chef von Siebenbürgen. Er führte 1987 den Einsatz gegen streikende Arbeiter bei der Hungerrevolte in Brasov, Jahre zuvor ließ er im Schilltal streikende Bergarbeiter zusammenknüppeln und verhaften. Doch anders als sein damaliger Chef, General Vlad, bemerkte er bereits im Herbst 1989, daß Ceausescus Tage gezählt waren, und ließ sich beurlauben. So entging er später einer Verhaftung. Mehr noch, er stellte sich in der Öffentlichkeit als „Vorbereiter der Revolution“ dar. Nun bekleidet Mihalache die Stellung eines stellvertretenden Kommandanten einer Kaserne in Baneasa, einem Vorort von Bukarest. Auf den ersten Blick ein bedeutender Abstieg — aber der Schein trügt.

Nach wie vor wird in dem Balkanstaat unter der Decke Politik gemacht. So sind Adrian Paunescu und Vladim Tudor, ehemalige Chefideologen des Ceausescu-Regimes, derzeit „nur“ als Verleger tätig. Doch die beiden Wendehälse beschränken sich nicht nur darauf, alle möglichen angeblichen jüdischen und ungarischen „Verschwörungen“ gegenüber Rumänien aufzudecken; beide fungieren eben auch als „Berater“ Iliescus — ein offenes Geheimnis, das die oppositionelle Presse in Bukarest gerne auswalzt. Schenkt man den gestrigen Zeitungskommentaren Glauben, so erwartet die Rumänen eine „national-chauvinistisch- kryptokommunistische Regierung“. Das Szenario nach Romania Libera: Iliescus „Front“ (26 Prozent der Stimmen bei den Parlamentswahlen) wird mit der „Nationalen Einheitspartei“ (10 Prozent) und der Partei „Großrumänien“ (4 Prozent) eine Minderheitsregierung bilden, möglicherweise noch mit der kleinen linksstehenden „Agrarpartei“ (3 Prozent) und der „Partei der Arbeit“, eine offen kommunistische Bewegung (ebenfalls 3 Prozent).

Trauen Kommentatoren einem solchen „Extrembündnis“ keine lange Regierungszeit zu, sprechen manche bereits von Neuwahlen in den nächsten sechs Monaten, so hörte man gestern in Bukarest nichts darüber, daß sich auch die bürgerlichen Oppositionsparteien Gedanken über ein regierungsfähiges Bündnis gemacht hätten. Zum einen sitzt der Schock über das schlechte Abschneiden bei den Wahlen noch zu tief, zum anderen gibt man sich keiner Illusion hin, Iliescu würde seinem Widersacher Constantinescu die Aufgabe einer Regierungsbildung übertragen — wenngleich rein rechnerisch die Opposition die Möglichkeit besitzt, die Regierungsgeschäfte zu übernehmen. Das Verhängnis jedoch: Wie die marode Wirtschaft in Schwung zu bringen wäre ohne eine weitere Verarmung der Bevölkerung, wie die unsichtbare Macht der Securitate-Kader und Armee zu brechen wäre, darüber gibt es kein Konzept.

Dabei zeigte sich bei der Infas- Umfrage am Sonntag, aufgrund der die ersten Wahl-Hochrechnungen erstellt wurden, daß nur sieben Prozent der Rumänen über den Fortbestand kommunistischer Herrschaftsstrukturen beunruhigt sind und eben die Mehrheit des Volkes einen extrem langsamen Übergang zu marktwirtschaftlichen Methoden wünscht. Eben wie Iliescu es versprach: „Vorsichtig und schmerzfrei werden wir die neue Epoche einleiten.“