Sanssouci
: Vorschlag

■ Mirada de mujer

Jedes Jahr im Herbst präsentiert der Verein zur Förderung feministischer FilmBildungsarbeit eine umfangreiche Filmreihe. »Mirada de mujer — Frauenblicke aus Lateinamerika« werden mit rund 30 Werken zu sehen sein. Ähnlich wie in Europa reicht die Geschichte weiblichen Filmschaffens in der Neuen Welt bis in die Anfänge des Kinos zurück. Mit Nina del Bosque von Emilia Salery entstand 1917 die erste Regiearbeit einer Frau in Lateinamerika. Bis in die fünfziger Jahre hinein blieb der kreative Aktionsradius regieführender Frauen begrenzt. Regisseurinnen durften sich allenfalls an den epochemachenden Genres — Melodram, Musikfilmkomödie — probieren. Der Befreiungsschlag kam Ende der sechziger Jahre mit dem Neuen Lateinamerikanischen Kino, in dem sich das soziale und politische Engagement vieler Filmemacherinnen quantitativ und qualitativ niederschlug. Einer Fülle dokumentarischer Kurzfilme in den siebziger Jahren folgten in den Achtzigern abendfüllende Spielfilme, in deren Mittelpunkt erstmals selbstbewußte Frauen standen. Als Folge der weltweiten Demokratisierungsprozesse nach 68 zerstörten die Regisseurinnen stereotype Frauenbilder, die weibliche Psyche sowie die Erlebniswelt von Frauen wurde gesellschafts- und leinwandfähig. Die nun am Steinplatz zu sehenden Filme stammen aus den Jahren 1978 bis 91, einer fruchtbaren Phase des weiblichen Filmschaffens. Vielen Frauen gelang der Sprung an eine Filmhochschule; später wurden die staatlichen Filmförderpläne überlebenswichtig für die Regisseurinnen. Zu Beginn der 90er Jahre befindet sich die lateinamerikanische Filmindustrie in einer desolaten Lage. Die Filmemacherinnen finden in ihrem Land günstigstenfalls eine Nische im Fernseh- und Videobereich. So vielfältig und heterogen der »Mirada de mujer« (Frauenblick) ist, es existieren Konstanten und Merkmale: die Revision der weiblichen Geschichte, die kämpferische Haltung von Frauen anstelle der ewig weiblichen Leidenspose, ein neues Selbstbewußtsein. »No me olvides« beispielsweise von Tatiana Gaviola zeigt den spektakulären und grausamen Alltag chilenischer Frauen, die gegen die Militärdiktatur auf die Straße gingen und sich den Zugriffen der Militärpolizei aussetzten. Geradezu heiter: »Danzon«, der zweite Spielfilm der mexikanischen Regisseurin Maria Novaro. Die 40jährige Hauptfigur Julia macht auf einer Reise die Bekanntschaft mit einem Transvestiten. »Halt mich wie ein Mann«, weist sie Ruben zurecht, der von ihr die Grundschritte des Danzon lernen will. Statt dessen lernt Julia, den Freund zu akzeptieren, der so gerne Frau und schön sein will und weder das eine noch das andere ist. Andrea Winter

Filmbühne am Steinplatz, 1.-14.10. Siehe Programmteil