»Don't make problems«

■ Brasilianer in U-Bahn angegriffen

Berlin. Ein 26jähriger Brasilianer ist am vergangenen Freitag abend Opfer eines rassistischen Überfalls in der U-Bahn-Linie 1 geworden. Dabei verlor der Bass- Gitarrist und Sänger Nilton S., der in Berlin Freunde besucht, fast drei Finger seiner rechten Hand. Der jugendliche Täter setzte nach seinem sekundenschnellen Angriff, als der Musiker am Wittenbergplatz aussteigen wollte, seine Fahrt fort. Er konnte nicht gestellt werden.

In dem gutbesetzten Wagen der U-1 Richtung Ruhleben habe gegen 22 Uhr eine gespannte Atmosphäre geherrscht, berichtete Nilton S. der taz. Aus den Augenwinkeln beäugten die Fahrgäste eine achtköpfige Gruppe Jugendlicher, die zunächst ihre Kräfte aneinander ausprobierten. Gasmasken baumelten bei zweien an den Gürteln. Ohne Vorwarnung sei er plötzlich von dem kräftigsten der Jugendlichen getreten worden. »Please, don't make problems for me«, habe er gesagt, sei von seinem Platz aufgestanden und zu seinem Fahrrad gegangen. Die Fahrgäste schwiegen.

Der Brasilianer wollte am Wittenbergplatz aussteigen, berichtete ein Augenzeuge der taz, der nach dem ersten Angriff zugestiegen war, da habe einer der Jugendlichen den Brasilianer attackiert. Dem Fahrrad des Opfers habe er einen so heftigen Tritt versetzt, daß es drei, vier Meter über den Bahnsteig geflogen sei. Dann habe der zirka 16jährige Jugendliche »die rechte Hand des Brasilianers in die U-Bahn-Tür gezogen und die Tür dreimal mit aller Kraft zugeknallt.« Die Hand habe stark geblutet: »Ich hatte den Eindruck, daß die Finger nur noch an der Außenhaut hingen.« Als das verletzte Opfer auf dem Bahnsteig lag, habe ihm der Täter mit den Springerstiefeln noch mal ins Gesicht getreten. »Der Brasilianer schien mir ein angenehmer Zeitgenosse zu sein, und er hat den Täter in keiner Weise provoziert«, sagte der Augenzeuge weiter.

Nilton wurde sein eigenes Messer zum Verhängnis. Um sich gegebenenfalls verteidigen zu können, habe er das Springmesser beim Aussteigen in der rechten Hand gehalten. Aufgeklappt sei es, als der Täter die Tür von innen zugeknallt habe. Im Zehlendorfer Behring-Krankenhaus stellte sich heraus, daß an drei Fingern der rechten Hand die Beugesehnen durchtrennt waren. Fraglich sei, so habe der Arzt Nilton erklärt, ob er je wieder die volle Gebrauchsfähigkeit seiner Hand erlangen könne. Anzeige will er dennoch nicht erstatten.

Harry Friedrich, Sprecher der Industrie- und Handelsschutz GmbH, die von der BVG für die Fahrgastsicherheit eingesetzt wird, sagte gestern zur taz, daß sich nach seinen Erkenntnissen keiner der Fahrgäste gemeldet hätte, die mit dem Täter in Richtung Ruhleben weitergefahren seien. In der Regel würden die Täter gestellt, auch wenn die Fahrgäste »manchmal aus Unwissenheit mit den Tätern sympathisierten«. Ralf Knüfer