Königsberger Sieger

■ Eine Laudatio auf Michael Stürmer

Er war schon ziemlich groß, der vergangene Sommer. Groß genug jedenfalls, um heute eine Minute der Besinnung einzulegen. Behilflich dabei ist uns die Frankfurter Allgemeine, die seit jeher zur Besonnenheit neigt. Am Wochenende, anläßlich der Rückkehr zur mitteleuropäischen Winterzeit, entdeckten wir im Intelligenzblatt diesen mindestens büttengeschöpften Satz: „Man kann die Uhren anhalten, aber die Geschichte steht davon nicht still.“

Zu verdanken ist dieser zum äußersten entschlossene Aphorismus Professor Michael Stürmer, einem ehemaligen Sozialhistoriker und nachmaligen Kanzlerberater, einem Geopolitiker zudem, bei dem selbst Franz Josef Strauß der grüne Neid angefallen hätte. Zumal Stürmer dem verewigten Ministerpräsidenten auch darin nacheifert, daß er ebenfalls ständig und ziemlich sinnlos durch die Welt fliegt, um da mal einen Vortrag vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen, dort ein kleines Referat für die „Führungsetagen japanischer Banken“ zu halten.

Diese Fortbildungsreisen finanziert ihm offenbar die Frankfurter Allgemeine, der er dafür regelmäßig Kommentare zum Thema „Die Lage Deutschlands mitten im Herzen Europas“ (oder war es „Europa-Herz in deutscher Seenot“?) schreiben muß. Dem Herrn Professor eignet dabei etwas von einem Dauertaucher, der mit seiner Umwelt nur in Luftblasen verkehrt. Doch wie haben wir den Mann unterschätzt: er ist nicht nur Lyriker, sondern vor allem Deutschordensritter.

Für einen Leitartikel in gewohnt schimmernder Wehr nahm er sich der „Aufgabe namens Königsberg“ an. Königsberg, wir erinnern uns, liegt ganz rechts oben am Rande des Gesichtskreises, mit unbewaffnetem Auge erkennbar eigentlich nur, wenn man so streng den Grenzen von 1937 verpflichtet ist wie der Historiker Stürmer. Das „Potential Königsbergs“, klagt er, sei „zur Zeit ungenutzt“. Zwar leben dort 900.000 Menschen, „ganz überwiegend Russen“, aber letztlich behindern die nur eine „gedeihliche Entwicklung“. Außerdem verfüge die Stadt über reichlich „Destabilisierungspotential“. Was also schlägt Prof. Stürmer vor? „Aus vielen Gründen engerer und weiterer Sicherheit“ bleibt uns nichts anderes übrig, als Königsberg „in Handel und Wandel der Ostsee einzubeziehen“, deshalb soll dort eine „Stabilitäts- und Wohlstandszone“ entstehen. Irgendwie dumm, daß diese Russen immer noch da rumhocken. Damit man ihm, dem Herold deutschen Wesens, bei seinen Weltgenesungswünschen nicht gleich draufkommt, will Stürmer deshalb das „Management“ der Expedition einer „internationalen Handelskompanie“ übertragen, die „auch das Land rekultiviert“. Denn: nach Königsberg, diesem „trostlosen russischen Küstenplatz“, können auch „die Länder dahinter ihr Schicksal meistern“.

Schon zweimal, 1410 und 1914, entschied sich das Schicksal des deutschen Volkes in Ostpreußen. Im Mittelalter unterlagen die Deutschordensritter den slawischen Untermenschen nach heldenhaftem Kampfe, fünfhundert Jahre später rächte Generaloberst Hindenburg diese Schmach und rettete die deutsche Ehre. Der Russ' kam trotzdem. Wie ein Mann ist Michael Stürmer dagegen aufgestanden. Ich wüßte keinen würdigeren Kandidaten für den Paul- von-Hindenburg-Preis. Willi Winkler