Bielefeld wird Nato-Zentrum

■ Morgen wird dort die Schnelle Eingreiftruppe der Nato gegründet/ Nur „viele Fahnen, wenig Kampfkraft“?

Bielefeld (taz) — Gut ein Jahr, nachdem der Beschluß der Nato zum Aufbau einer Schnellen Eingreiftruppe fiel, wird die Truppe am Freitag im ostwestfälischen Bielefeld offiziell gegründet. Schon seit einigen Monaten halten sich Militärplaner aus verschiedenen Bündnisländern in Bielefeld auf, wo bis mindestens Mitte der neunziger Jahre das Hauptquartier des „Allied Command Europe Rapid Reaction Corps“ (ARRC) stationiert bleiben soll. In einigen Jahren soll das Hauptquartier der Truppe nach Mönchengladbach/ Rheindalen umziehen.

Zur „Indienstellung“ des Corpsstabes am Freitag, wie der Gründungsakt im offiziellen Nato- Jargon heißt, haben sich in Bielefeld Nato-Generalsekretär Wörner und Oberbefehlshaber General Shalikashvili angesagt. Designierter Chef der Eingreiftruppe (offiziell: „Schnelle Krisenreaktionskräfte“) ist der Brite Generalleutnant Sir Jeremy Mackenzie, Noch-Befehlshaber des seit 1953 in Bielefeld stationierten 1. Corps der Britischen Rheinarmee, das nun aufgelöst wird. Im Anschluß an die Gründungszeremonie soll auf dem ostwestfälischen Truppenübungsplatz Sennelager „ein Einblick in die multinationale Zusammensetzung“ des Corps gegeben werden, das Mitte 1995 einsatzbereit sein soll, wie es in einer Pressemitteilung des „Allied Command Europe“ (ACE) heißt.

Neben dem Aufbau dieses ersten ARRC für „Mitteleuropa“ („von Nord-Norwegen bis Süd- Türkei“) wird, wie inoffiziell zu erfahren war, offenbar zusätzlich an den Aufbau einer zweiten Truppe „Südeuropa“ gedacht. Aufgaben und Umfang der Eingreiftruppe sind bislang erst vage umrissen. Es gehe um „viele multinationale Einheiten mit nationalen Komponenten, die in Abhängigkeit von zukünftigen Aufgaben“ des Bündnisses „wechselnd eingesetzt werden können“, wie aus Bundeswehrkreisen zu erfahren ist.

Soweit bekannt wurde, soll die Eingreiftruppe aus zwei britischen, einer deutschen und einer multinational zusammengesetzten Division bestehen. Eine Division entspricht etwa 20.000 Mann. Die der ARRC angehörenden Truppenteile sollen nicht an einem Standort konzentriert werden, sondern blieben in ihrer „Friedensdislozierung weit verstreut“ im Bündnisgebiet stationiert, wie es seitens der Bonner Hardthöhe heißt. Eine britische Einheit soll auf der Insel stationiert bleiben, eine in der Bundesrepublik. Welche deutschen Einheiten der ARRC eventuell zugeteilt werden, ist bislang noch offen.

Das ARRC-Einsatzgebiet sei auf das Nato-Bündnis-Gebiet beschränkt, heißt es offiziell. „Durch die Zahl der zu diesem Corps beitragenden Nationen demonstrieren die Mitglieder der Allianz ihre Solidarität“, teilt das Nato-Hauptquartier ACE in Brüssel mit. Es gehe darum, im „Krisenfall“ mit vielen Fahnen und wenig Kampfkraft“ nur „schnell Bündnissolidarität zu demonstrieren“, erläutert die Bundeswehr inoffiziell. Vom Aufbau einer „Weltpolizei“ könne überhaupt keine Rede sein.

„Mein Verdacht ist allerdings“, so erläutert die örtliche SPD-Bundestagsabgeordnete und Sicherheitsexpertin der SPD, Katrin Fuchs, „daß die Truppe über das Nato-Territorium hinaus tätig werden soll. Umfang der Truppe und das Bemühen um den Aufbau weitreichender Transportkapazitäten erhärten dies.“

Zu einer überregionalen Demonstration: „Keine Schnelle Eingreiftruppe in Ostwestfalen und anderswo“, „Keine Änderung des Grundgesetzes für Out-of-area- Einsätze“ rufen Bielefelds Grüne, örtliche Friedensgruppen, Jusos, DGB-Jugend und einige Szene- Gruppen für den Freitag auf. Hans Engels