War Schalcks KoKo „deutsch-deutsche Firma“?

■ Ehemalige Doppelagenten wickelten unter Treuhand-Regie KoKo-Firmen ab

Bonn (taz) — Alle Schalthebel in Alexander Schalck-Golodkowskis Schattenreich „Kommerzielle Koordinierung“ hatte die Stasi fest im Griff. Oder besser: fast alle. Denn auf zahlreichen Funktionärssesseln von KoKo-Tarnfirmen in Ost wie West saßen Agenten westlicher Nachrichtendienste. War KoKo also streckenweise „ein deutsch-deutsches Geheimdienstunternehmen“, wie Ingrid Köppe (Bündnis 90/Grüne) provozierend behauptet? Nach Meinung der Abgeordneten, die im Schalck- Ausschuß des Bundestags sitzt, muß jetzt „die Rolle der jeweiligen Bundesregierung und ihrer Nachrichtendienste bei der Stützung der kriminellen Aktivitäten des Bereiches KoKo neu diskutiert werden“.

Denn aus Geheimakten des Ausschusses geht nach Aussagen Frau Köppes hervor, daß Bundesnachrichtendienst und Verfassungsschutz, aber auch die amerikanische CIA seit den frühen 70er Jahren über zahlreiche hochkarätige Agenten in den Chefetagen von KoKo-Firmen verfügten. Selbst Geschäftsführer und Vizefirmenchefs von Schalck-Firmen standen im Sold westlicher Dienste. Sogar der Verdacht, daß einige ihrer Agenten von der Stasi ermordet wurden, hielt die westdeutschen Dienste nicht davon ab, auf diese Posten eigene Agenten nachzuschieben. Daß deren Erkenntnisse über das oft kriminelle Treiben der Schalck-Firmen meist ohne Konsequenzen blieben, legt tatsächlich den Verdacht nahe, es könne auf gewissen Gebieten Interessengleichheiten, wenn nicht gar eine Zusammenarbeit gegeben haben. Als etwa westdeutsche Zollfahnder den KoKo-Ableger Elmsoka in Liechtenstein unter die Lupe nahmen, wurden die Ermittler von Bonn regelrecht zurückgepfiffen. Über die Elmsoka versilberte Schalck Edelmetalle und Rohstoffe, die Bonn der DDR auf dem Umweg über die Kirchen im Rahmen des Häftlingshandels bereitstellte.

Der langjährige Geschäftsführer der Stasi-gesteuerten KoKo- Firma Asimex, Günter Asbeck, belieferte den Bundesnachrichtendienst bis zu seinem Überlaufen in die BRD laufend mit Stasi-Interna, Infos über den geheimen Waffenhandel der DDR und den Schmuggel von Embargotechnik. Um so erstaunlicher scheint es, daß nach der Wende just jene Firmen, über die der BND am besten im Bilde war, etwa die Asimex, unter den Fittichen der Treuhand ausgerechnet von ihren vormaligen Stasi-Geschäftsführern abgewickelt wurden.

Ein weiteres Beispiel liefert der frühere Vizedirektor der größten KoKo-Firma Intrac, Eberhard Seidel. Als IM Siegfried war er der Stasi zu Diensten— gleichzeitig aber auch der CIA. Nach der Wende, unter Treuhand-Regie, durfte Doppelagent Seidel der Intrac als Geschäftsführer vorstehen. Erst vorletzte Woche wurde er nach Pressemeldungen beurlaubt.

Zur Aufklärung des deutsch- deutschen Geheimdienstsumpfes fordert die Abgeordnete Köppe jetzt von der Bundesregierung die Übermittlung aller „dem Ausschuß bisher vorenthaltenen Akten“ des Verfassungsschutzes und des Bundesnachrichtendienstes sowie Aussagenehmigungen für die im Bereich KoKo eingesetzten Agenten. Th. Scheuer