Freies Geleit für Neonazis in Dresden

■ Polizeischutz für Hunderte von Gefolgsleuten der „Nationalen Offensive“

Dresden (taz) — Wieder einmal bewährte sich die Landeshauptstadt Dresden als Aufmarschort für Neonazis. Der Versuch von Oberbürgermeister Wagner (CDU), die von der „Nationalen Offensive“ angemeldete Demonstration „Für Einigkeit und Recht und Freiheit“ zu verbieten, scheiterte in zweiter Instanz am Urteil des Oberverwaltungsgerichts Bautzen. Die Behörde hatte der Stadt mitgeteilt, daß „bloßer Verdacht und Vermutungen“ für ein Verbot nicht ausreichen. „Allein die Einschätzung einer Partei als rechtsradikal läßt nicht darauf schließen, daß eine Demonstration zwingend zu Gefährdungen von Ordnung und Sicherheit führen muß“, lautet das erstaunliche Fazit der Rechtshüter.

Mehrere hundert „Kameradinnen und Kameraden“ sammelten sich Samstag nachmittag am Bierzelt auf dem Postplatz. Die Polizei zeigte viel Grün und hielt sich freundlich zurück. Unter Trommelklängen, mit Reichskriegsflaggen und einem Transparent „Mehr Arbeitsplätze für Deutsche“ zog die Formation zum Rathaus. Schon nach den ersten Schritten zeigten DemonstrantInnen ungehindert den Hitlergruß. Sprechchöre wie „Wir wollen keine Ausländerschweine“ und „Rot Front verrecke“ beschrieben die Ziele der „Nationalen Offensive“. Die Organisation versteht sich als Bindeglied zwischen zerstrittenen Neonazi-Organisationen. Sie will, so ihre Plattform, „Brücken zwischen den Kontrahenten“ bauen. Mit dieser Aufgabe ist sie im Netzwerk der Gesinnungsgemeinschaft der „Neuen Front“ verzurrt, deren Ziel der Wiederaufbau der NSDAP ist. Anders als bei der Antifa-Demo in Hoyerswerda sah die Polizei keinen Grund, die TeilnehmerInnen mit Hubschrauber und Kamera zu observieren.

Die Neue Rechte marschierte, und die BürgerInnen am Straßenrand schwiegen. „Kein Kommentar“ war die häufigste Antwort auf Fragen nach einer eigenen Meinung. Deutlich wurde ein dreizehnjähriges Mädchen: „So viel Dummheit auf einen Haufen habe ich noch nicht gesehen.“ Doch Dummheit ist es, leider, nicht, was den Marschierern zuerst nachzusagen wäre. Verstohlener, auch offener Beifall der „Normalbürger“ für ihre Parolen stärkte ihnen den Rücken. Derart einig mit Staat und Volk stand das Feindbild fest: die Presse. JournalistInnen wurden massiv an ihrer Arbeit gehindert, beleidigt und angegriffen.

NO-Bundesvorsitzender Michael Swierczek geißelte mit heiserer, sich überschlagender Stimme die etablierten Parteien, deren „Zeit abgelaufen ist“. Auf die Alltagssorgen der an den Fenstern lauschenden DresdnerInnen geschickt eingehend, beschrieb er seinen „Eindruck, die in Bonn spielen Wandlitz“. Der Parteiführer ließ seinem Gefolge keinen Zweifel daran, daß sich „das deutsche Volk“ zu den nächsten Wahlen für eine „nationale Politik“ entscheiden werde.

Keiner der in Sonntagsreden auf „Dialog mit der verirrten Jugend“ pochenden Politiker hatte sich nach Dresden verirrt, nur JournalistInnen und linke Jugendliche bemühten sich, diese Demagogie zu hinterfragen. Die Kampfflaggen waren schon eingerollt und die Polizei weit weg, da standen einige Trauben von Diskutierenden noch beisammen. Mehr Widerspruch war nicht drin. Detlef Krell