Lesen und Überlesen

■ Ein Abend mit den Autoren Gerhard Henschel und Michael Rudolph im Molotow

Gerhard Henschel und Michael Rudolph im Molotow

Wer erwartet hatte, daß im Molotow zwei Autoren den Finger nur darauf legen, wo man glaubt, ein Zwerchfell unter sich zu haben, kam bei Gerhard Henschel und Michael Rudolph an die Richtigen. Als effekt-ergiebiges Arbeitsfeld betrachteten die Konkret-, Kowalski- und Buchautoren am Dienstagabend Sprachwitz, Sprachkritik und den über die anderthalb Stunden immer säuerlicher aufstoßenden Ansatz, durch Präsentation der Texte von anderen Autoren deren Selbstentblößung voranzutreiben.

Die süffisant geschmetterten Proben aus dem Roman Uferlos des abgehalfterten Liedermachers Konstantin Wecker hinterließen jedoch ebenso wie die fäustchenlachend vorgetragenen Luise-Rinser-Zitate die Frage, was bei solchen Kollegen, deren Status sich fast ausschließlich über die an ihnen geübte Kritik definiert, noch ein satirisches Wiederaufgreifen lohnt. Auch Rudolphs Essay aus gesammelten Pflanzennamen, -wirkungen und -aromaten hinterließ nur den Eindruck, jener versuche, dem Fachchinesisch dessen Obszönität nachzuweisen.

Dem einverständigen Gurren und verhaltenen Prusten aus dem Zuschauerraum verschaffte Henschel weiter Auftrieb, als er dem Fußball-Spieler Lothar Matthäus eine Grabrede auf den verstorbenen Herrmann Neuberger als syntaktisch trümmerhafte Spielbeschreibung in den Mund legte. Einen ebenso falschen wie überflüssigen Feind nahm sich der in Konkret argumentierfreudige Gerhard Henschel, als er eine Reportage von einem fiktiven Seminar aus einer der „Zukunftswerkstätten“ des Forschers Robert Jungk lieferte. Die Äußerungen der Seminar-Teilnehmer ließen auf dankbare Anregung durch die „Martin“-Figur des Schauspieler Dieter Krebs schließen.

Rudolphs glänzendste Beiträge waren gedrehte, komisch gemeinte Beschreibungen von Orten und Ereignissen, deren Relevanz sich denn auch beinahe ausschließlich einer, wenn auch begrenzten, sprachlichen Beweglichkeit des Vortragenden verdankte.

Spät in der Nacht verlas Rudolph noch einige Miniaturen des gemeinsamen Vorbildes Egon Egner, dessen Erzählungen, unter anderem von Kindern, die in Konfirmationsanzügen zur Welt kommen, etwas von dem vermittelten, was schon vor recht langer Zeit als „anarchischer Humor“ Lehrbüchern des Genres die Existenzberechtigung verliehen haben mag.

Zum Schluß sei noch einmal auf die unbestreitbaren Qualitäten von Henschels Buch-Debut Menschlich viel Fieses verwiesen. Polemisch, kampfgeisttechnisch muß die Lektüre nach diesem Abend angenehm- beschwingt enttäuschen. Kristof Schreuf