Flickenteppich der Gewalt

■ Studie der Behörde: Aggressivität nimmt an allen Schulformen zu

Mit einem Mythos mußte der Schulpsychologe Michael Grüner gestern aufräumen: Es sind nicht die großen Schulen in den strukturell schwächeren Stadtteilen, an denen es vermehrt zu Gewalt unter Schülern kommt. Um das von den Medien in den letzten Monaten vielbeachtete Thema „sprachfähig“ zu machen, hatte Hamburgs Schulsenatorin Rosemarie Raab an 169 Schulen eine Erhebung durchführen lassen. Ergebnis: An jeder siebten Schule wird das Klima durch gewalttätiges Verhalten erheblich belastet.

An gut jeder zweiten Schule war es im gefragten Zeitraum von August 1991 bis April 1992 zu Zwischenfällen gekommen. Einen Zusammenhang mit Schulform oder -ort konnte die mit der Untersuchung beauftragte Schülerhilfe nicht feststellen. Michael Grüner: „Das Problem zieht sich wie ein Flickenteppich über Hamburg.“

Vier Kategorien wurden in der Erhebung unterschieden; dabei rangiert der Tatbestand der „Nötigung, Bedrohung und Erpressung“ ganz oben. An 75 Schulen war es dazu gekommen, an 22 sogar mehr als sechsmal. Dicht darauf folgten „Körperverletzungen“ mit 67 Schulen. Zu „Aneignung von Sachen unter Gewaltandrohung oder Gewaltanwendung“ kam es an 47 Schulen, „Sexualvergehen“ wurden von 25 Schulen erwähnt. Die Taten verübten zu 90 Prozent Jungen. Die Opfer sind auch überwiegend männlich, in 16 Fällen waren es Lehrer.

Die Studie ist die erste ihrer Art im gesamten Bundesgebiet. Fast zwei Drittel der befragten 169 Schulleiter gaben an, daß die verbale Aggressivität unter den Kindern in den letzten drei Jahren angestiegen sei. Auch würden Raufereien zunehmen. Die Zu- und Abnahme der Bedrohung mit Waffen hält sich die Waage. Verletzungen mit Waffen sind deutlich zurückgegangen. Die Zahl der Schüler, die sich gegen gewalttätiges Verhalten wehrt, steigt sogar an.

Als Ursache führten die Schulleiter vor allem Fehlverhalten der Eltern ins Feld. Diese würden Gewalt häufig bagatellisieren, die eigentliche Erziehungsarbeit den Schulen zuschieben. „Vernachlässigung im Elternhaus“ führten auch die 36 interviewten Schüler ins Feld, die überdies betonten, daß der psychische Druck oft noch viel schwerer wiege als physische Gewalt.

Doch es bleibt dabei, 15 Prozent der Schulen leiden unter Gewalt. Die Schulbehörde will sie jetzt nochmals anschreiben, um konkrete Hilfen zu besprechen. Im Gespräch sind Maßahmen wie Supervision für Lehrer, ambulante Kinderbetreung, Einsatz der Schülerhilfe, aber auch Mitwirken der Polizei. Kaija Kutter