Miese Geschäfte

■ „Gesucht wird...“, ARD, 20.15 Uhr

Mit dem Slogan „Reine Nervensache“ warb der Pharmakonzern „Madaus“ vor ein paar Jahren für sein Rinderhirn-Präparat „Cronassial“, das bei „nervösen Nervenbeschwerden“ im Nu für Linderung sorgen sollte. Doch bei Patienten, denen das Medikament verabreicht wurde, stellten sich plötzlich massive Lähmungserscheinungen ein. Doch selbst nachdem das offiziöse Ärzteblatt eindringlich vor „Cronassial“ gewarnt hatte, setzten behandelnde Ärzte die Therapie unbeeindruckt fort. Als die Herstellerfirma das Präparat endlich vom Markt nahm, war es für die Betroffenen zu spät. Mehrere trugen eine dauerhafte Arbeitsunfähigkeit davon, einige bezahlten gar mit dem Leben. Vorkommnisse, die zwar bedauerlich sind, aber im Prinzip immer wieder mal vorkommen. Schließlich lassen sich Pharmaunternehmen gegen etwaige Schadenersatzansprüche auf Grund derartiger unliebsamer Zwischenfälle eigens versichern. Wie „Madaus“ in diesem Fall beim Kölner Gerling-Konzern. Silvia Matthies geht in ihrer brisanten Reportage den mehr als dubiosen Praktiken bei der Schadensabwicklung durch diese Versicherung nach. Geschädigte respektive Hinterbliebene berichten, daß das Unternehmen zunächst jede Haftung abgelehnt habe. Nachdem sie mit Anwälten oder Pressekampagnen gedroht hätten, sei dann plötzlich doch ein sogenannter Schadensabwickler erschienen. Der habe zwar weiterhin jede Zahlungspflicht geleugnet, ihnen aber dann doch eine (lächerliche) Summe angeboten. Auflage: Sie mußten sofort unterschreiben, daß ihre Sache damit ein für allemal erledigt sei. Die meisten willigten ein, zumal der Mann mit dem Scheckbuch sie in dem Glauben ließ, es handele sich bei ihnen jeweils um einen Einzelfall. Obwohl die Reportage sich auf ein einzelnes Medikament und eine Versicherung konzentriert, wird deutlich, daß der Teufel hier im System steckt. Daß die Geschädigten überhaupt vom Zusammenhang zwischen ihren Beschwerden und der Verabreichung von „Cronassial“ erfuhren, ist allein der Loyalität einiger Ärzte und den Publikationen des unabhängigen „Instituts für Arzneimittelinformationen“ zu danken. Beim Bundesgesundheitsamt war man zwar im Besitz der entsprechenden Unterlagen, hielt es allerdings nicht für nötig, die Opfer darüber zu informieren. Daß weder ein Vertreter der Herstellerfirma noch jener mysteriöse Schadensabwickler zu den Vorwürfen Stellung beziehen will, ist kaum verwunderlich. Daß jedoch ein Vertreter des BGA ein Interview rüde abbricht, sobald es um die Verantwortung seiner Behörde geht, stimmt mehr als nachdenklich. Reinhard Lüke