■ Heinrich Lummers Ausfälle gegen Ignatz Bubis
: Zu weit gegangen

Im Deutschen Bundestag sitzt ein kleiner Mann, der gerne ein Napoleon wäre, ein Pinscher aber ist. Heinrich Lummer heißt er, war früher einmal Innensenator von Berlin und vertritt jetzt die Interessen der CDU und seines Wahlvolkes am Rhein. Große Fernsehauftritte blieben ihm bisher versagt, also kompensiert er die fehlende Personality-Show durch eifriges Bedienen des Fax-Gerätes. Im angeblichen Interesse, sicher aber auf Kosten des deutschen Volkes!

Am 1.Oktober flatterte den Redaktionsstuben ein Pamphlet gegen den Schriftsteller Günter Grass, den Vorsitzenden des Zentralrats der Juden, Ignatz Bubis, und die Hamburger Bischöfin Maria Jepsen auf den Tisch. Lummer warf den „realitätsfernen Moralisten“ vor, durch ihren Widerstand gegen eine Änderung des Asylrechts „dem aufkeimenden Rechtsradikalismus Vorschub zu leisten“. Sie sollen doch, schrieb er wörtlich, „Asylbewerber-Container im eigenen Garten aufstellen“. Jetzt hat Lummer nachgetreten und sich auf den Mann konzentriert, der ihm der eigentliche Feind zu sein scheint: Ignatz Bubis.

Bubis habe „jeglichen Kontakt zur Realität verloren“, verbreite „haarsträubenden Unsinn“, wenn er behaupte, daß eine Verschärfung des Asylrechts weitere Gewalttaten provoziere, schreibt Lummer am 6.Oktober und entbietet auch gleich seinen Rat, wie dieser Mißstand zu beheben sei. „Diesen Kontakt kann er nur wiedergewinnen, wenn er endlich in seinem eigenen Haus Asylbewerber aufnimmt. Und zwar alle Asylbewerber, die das möchten. Genau das fordert Bubis ja von den Deutschen: Das Asylrecht als Quasi-Einwanderungsrecht beizubehalten und sämtliche Menschen aufzunehmen, die nach Deutschland kommen wollen.“ Dieser Satz ist im Orginal fett unterstrichen, genau wie die anschließende Empfehlung, daß Bubis seine „politische Tätigkeit mit der Arbeit beim Kabarett vertauschen sollte“. Denn, so Lummer: „Kabarettisten sind in Deutschland die einzigen, die ungestraft und unbegrenzt Unsinn reden dürfen und dafür auch noch Beifall bekommen.“

Nein, Lummer irrt. Er muß sich meinen. Normalerweise ignoriert man diesen Wichtigtuer. Doch diesmal ging er zu weit. Seine Hetze zielt eindeutig unter die Gürtellinie und bestätigt obendrein antisemitische Vorurteile. Jeder weiß, daß der Zentralratsvorsitzende sein Geld mit Immobiliengeschäften verdient hat, genau wie viele andere nichtjüdische Makler auch.

Lummers populistische Angriffe sind gezielte Schützenhilfe für diejenigen Rechten, die über brennende Asylbewerberheime und geschändete jüdische Gedenkstätten die Macht in Deutschland wollen. Denn er konstruiert einen Gegensatz zwischen Bubis und den Deutschen, um das alte Ressentiment mobilisieren zu können: Die Juden sind Deutschlands Unglück. Nicht der Brand in Sachsenhausen markiert das Ende der Schonzeit für Juden in Deutschland, sondern daß Politiker in der Nach-Galinski-Ära so reden dürfen, wie sie schon immer dachten und sich mit Rücksicht auf die Weltöffentlichkeit nicht trauten. Wie lange läßt Bonn diesen Mann eigentlich noch schwätzen? Anita Kugler