Thierse will Ex-SEDlern eine Chance geben

■ Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung zu drei Jahren Ost-SPD

Berlin (taz) — „Die 2,3 Millionen SED-Mitglieder dürfen nicht als Aussätzige behandelt werden. Ein Teil von Ihnen ist wichtig für die künftige Demokratie“, sagte Wolfgang Thierse, stellvertretender Parteivorsitzender der SPD, gestern auf einer Veranstaltung im Reichstag zum Thema: „Die Gründung der Sozialdemokratie in der DDR“.

Die Friedrich-Ebert-Stiftung hatte zum dritten Jahrestag der Gründung der „Sozialdemokratischen Partei in der DDR“ Redner eingeladen, die am 7. Oktober 1989 in Schwante bei Ost-Berlin dabei gewesen waren, als 47 Regime-Gegner die SDP ins Leben riefen, während die SED den 40. Jahrestag der DDR-Gründung mit großem Pomp feierte. Ibrahim Böhme fehlte gestern.

Kontrovers diskutiert wurde vor allem die Frage, ob die Partei ehemalige Mitglieder der SED in ihre Reihen aufnehmen solle. In seinem Vortrag hatte Steffen Reiche, Vorsitzender des SPD-Landesverbandes in Brandenburg, ihre Aufnahme befürwortet. Schon zur Zeit der Gründung habe man die SED durch „Auszehrung von innen“ zur Strecke bringen wollen. Sabine Jäger, ebenfalls Gründungsmitglied der Ost-SPD widersprach dem vehement. Eine Öffnung für ehemalige SEDler habe man erst dann erwogen, als dem Mitgliedermangel begegnet werden sollte.

Wolfgang Thierse faßte seine Ansicht über die Aufnahme von SEDlern zusammen: „Es gibt keine Aufforderung an die SED- Mitglieder, in die SPD einzutreten.“ Im Einzelfall habe die Parteibasis nach demokratischen Kriterien zu entscheiden, wer aufgenommen werden kann. „Wir wollen die SEDler als Menschen betrachten; nicht alle waren Schufte.“ Die Grenze sieht Thierse allerdings dann erreicht, wenn der Bewerber sich „objektiv kompromittiert“ habe. Das sei mit Sicherheit bei jenen der Fall, die hohe Ämter innehielten und im vorauseilenden Gehorsam einzig den staatlichen Interessen dienten. Julia Albrecht