Rußland beginnt mit Truppenabzug

■ Versöhnliche Geste Jelzins gegenüber Georgien/ Abchasische Separatisten verbuchen große Geländegewinne/ Georgien setzt auf UNO-Vermittlung

Tiflis/Moskau (AP/taz) — In dem seit Tagen sich verschärfenden Konflikt zwischen Rußland und Georgien hat Moskau gestern mit dem Abzug seiner Waffen und Munition aus dem Nachbarland begonnen. Damit reagierte die russische Regierung auf die Drohung Georgiens, die Ausrüstung der russischen Armee einzuziehen. Nach einer Mitteilung des Presseamts des georgischen Staatsrates umstellten russische Truppen in der Nacht zum Mittwoch den Militärflugplatz Kopitnari in der Nähe der westgeorgischen Stadt Kutaisi. Dort seien drei Transportmaschinen mit Waffen und Munition der russischen Armee beladen worden, die anschließend nach Rußland geflogen seien.

Der Konflikt zwischen Georgien und den abchasischen Separatisten hatte zuvor eine weitere Stufe der Eskalation erreicht und droht nun in einen regulären Krieg umzuschlagen. Abchasische Truppen und Freischärler aus den angrenzenden Republiken des Nordkaukasus hatten in der Nacht zum Dienstag die letzten beiden georgischen Bastionen an der Grenze zu Rußland erorbert. Hunderte georgischer Soldaten sollen während der Kämpfe gefallen sein. Dem russischen Fernsehen zufolge kontrollieren die abchasischen Milizen inzwischen das Gebiet nordwestlich von Suchumi bis zur russischen Grenze. In der Nacht zum Mittwoch bombardierten zwei Kampfflugzeuge den Flughafen von Suchumi, wo sich Hunderte von Flüchtlingen aus dem von Abchasiern eroberten Gagra befanden.

Der Vorsitzende des georgischen Staatsrates, Eduard Schewardnadse, bat daraufhin in einem Telegramm Rußlands Präsident Jelzin, er möge das unkontrollierte Eindringen von Kämpfern aus dem Nordkaukasus und den Schmuggel an Kriegsmaterial über die Grenze stoppen. Gespräche zwischen Abchasien, Georgien und Rußland sind für den 13. Oktober anberaumt.

Der UNO-Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat die feindseligen Parteien aufgefordert, sich an die in Moskau Anfang September unterzeichneten Waffenstillstandsvereinbarungen zu halten. Das georgische Außenministerium hatte zudem darum gebeten, eine außerordentliche Sitzung des Sicherheitsrates einzuberufen und eine Beobachtergruppe in das Krisengebiet zu entsenden.

Zweifel am Erfolg einer solchen Aktion sind allerdings angebracht. Die Konföderation der Völker des Nordkaukasus scheint die Abchasienkarte in ihrem Interesse nutzen zu wollen. Ihr Präsident Musa Schanibow sagte, die Ereignisse im Nordkaukasus wären von epochaler Bedeutung und stünden in direktem Zusammenhang mit dem Zusammenbruch des russischen Kolonialreiches. Damit spielte der als Extremist verschriene Schanibow auf das Ziel der Konföderation an: Die Loslösung der nordkaukasischen Republiken aus dem Verband der Russischen Föderation. Sein Kollege, der Präsident Tschetscheniens, Dschokar Dudajew, schloß sogar die Verhängung der Todesstrafe über solche Politiker nicht aus, die mit Rußland zusammenarbeiteten. khd