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Nachschlag

■ Mathias Richling in den Wühlmäusen

Mathias Richling kann Kohl nachmachen. Er weiß, daß Mantafahrer bevorzugt Friseusen mit sich führen. Und Wortspiele schüttelt er zwar dutzendweise aus den Ärmeln seines mausgrauen Mantels: »Wahlversprechen, na ja, bei so einer Wahl, da verspricht man sich ja schnell« — aber alle scheinen sie so seltsam vertraut, wo haben wir das bloß schon gehört?

Ein »neues Programm« hat der schwäbische Schnellsprecher mit der mutierten Fistelstimme versprochen — und bietet doch nur, was er für altbewährt hält. »Jetzt schlägt's Richling« ist die Maxi-Version seines allwöchentlichen Fünf-Minuten-Auftritts in der ARD. Seine überdimensionale Bettstatt hat er aus dem Fernsehstudio auf die Bühne verpflanzt. Hinter dem Fußende verschanzt, setzt er die Attacken auf den »Pontisex maximus« und auf Paragraph 218 fort, die ihn seinen Sendeplatz gekostet haben — wieso bloß? Daß der Staat das ungeborene Leben schütze und erst das geborene abtreiben lasse, hat vor siebzig Jahren auch schon Karl Kraus geschrieben. Was im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gewagt sein mochte, wirkt in Richlings »recht-öffentlichem« Kabarettprogramm erschütternd harmlos.

Vier rote Telefone schmücken die grüngesprenkelte Bettstatt. Zwei hätten auch gereicht, denn nur Bush und Gorbi rufen alle Viertelstunde an. Auf der Schiefertafel am Fußende des Bettes führt der Bettgänger, ganz schwäbischer Buchhalter, scharfsinnig vor, daß der Verkehr erst dann richtig explodieren würde, wenn das Autofahren nur noch bestimmten Gruppen erlaubt wäre. Schon wirft er die Kreide wieder weg und spurtet auf die andere Seite der Bühne. Ununterbrochen zupft der agile Schwabe an seinen seidenen Klamotten, turnt auf, über, vor und hinter dem Bett herum — ohne erkennbaren Zusammenhang mit dem nicht abreißenden Redestrom. Seinen wadenlangen Mantel hält Richling offenbar für sein wirkungsvollstes Ausdrucksmittel. Mal zaubert er ein paar Kondome daraus hervor, mal putzt er mit dem Mantelzipfel manisch den Bettrand oder den riesigen Porzellannachttopf, der sonst genauso sinnlos auf der Bühne herumsteht wie die meisten übrigen Requisiten.

Auch wenn er ab und zu in rheinischen Dialekt fällt, wechselt Richling nicht die Rolle, sondern nur die Tonlage. Hektisch mit den Händen fuchtelnd, handelt der Kabarettist summarisch alle denkbaren Satirethemen ab, die aktuellen, die zeitlosen und, besonders ausführlich, die früher einmal aktuellen wie zum Beispiel die Kronzeugenregelung. Um zwei Stunden zu füllen, reicht das am Ende dann wirklich nicht. Der Fünf-Minuten-Richling war allemal besser. Miriam Hoffmeyer

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